BIBLIOPHILES DES MONATS | April 2022

Ein Mäzen, Inhaber der Bauerschen Gießerei in Frankfurt, finanziert 1923 einem Künstler, der in den Nachkriegsjahren tiefe Depression erfahren hat, eine dreimonatige Bildungsreise durch Spanien. Georg Hartmann hegte wohl auch die Erwartung, dass Emil Rudolf Weiß auf diese Weise Lebensmut und künstlerische Schaffenskraft wiedergewinnen und dies möglicherweise zum Anlass für einen bibliophilen Reisebericht nehmen könne. Schon zu Beginn berichtet der Künstler während der Bahnfahrt südwärts entlang der Bergstraße und des Rheinlaufs, angesichts frühlingshaft blühender Obstbäume, wie sich Herz und Gemüt wieder für die Welt zu öffnen beginnen. Über Genua geht es mit dem Schiff nach Barcelona und von dort aus über viele Stationen durch den Süden Spaniens zu den klassischen Sehnsuchtsorten mit den maurischen Prachtbauten, den landschaftlichen Schönheiten und den kulturellen Besonderheiten. Besuche in Klöstern und Museen mit ausführlichen Würdigungen von Kunstwerken der Malerei und Architektur  vermitteln lebhafte Eindrücke, wie auch die Schilderung kleiner Erlebnisse in den Städten und Dörfern. Weiß erneuert so seinen optimistischen Blick auf die Welt und kehrt nach der Heimreise über Marseille, Verona und Südtirol erfrischt an seine Arbeit zurück.

Der besondere Reiz dieses Buches im großen  Format 38,2 x 28,0 cm, im Jahre 1931 nummeriert und signiert für die 300 Mitglieder der Maximilian-Gesellschaft herausgegeben, liegt in der einheitlichen Gestaltung des Textblockes durch den Autor, der als bedeutender Schriftgestalter, Graphiker und Maler bekannt ist. Weiß schildert hier nicht nur seine Reiseeindrücke in sehr persönlicher und informativer Weise, schmückt sie mit farblich getönten Landschaftsskizzen und Detailzeichnungen, eingefügt als kleine Lithographien in seinen Text, sondern er übernimmt auch die Gestaltung und die Überwachung des Druckes in den von ihm selbst entworfenen Schriften Weiß Antiqua und Weiß Kursiv. So entstand ein harmonischer künstlerischer Gesamteindruck.

Man hätte nun erwarten können, dass die Herausgeber auch einen schmuckvollen Bucheinband aus Weißscher Hand gewählt hätten, zumal er ja vielfach als Einbandkünstler, zum Beispiel für den Tempel-Verlag, in Erscheinung getreten war. Allerdings bestand in der exklusiven Mitgliedschaft der Gesellschaft damals wohl das Bedürfnis, sich die Buchpublikationen exklusiv in individuellen Einbandformen binden zu lassen. So lieferte man sie auch in einfachen Interimseinbänden aus, die dann entsprechend ersetzt werden konnten. Daher findet man heute ganz verschiedene Einbandvarianten des Buches. Neben einem solchen Interimseinband in dünnen beigen Kartondeckeln und lithographiertem Rücken- und Deckeltitel in der Handschrift von Weiß liegen uns zwei Einbandvarianten vor: Ein Halbpergamentband in vornehm blasser Farbgebung und büttenpapierbezogenen Pappdeckeln ohne Titelaufdruck, aber mit kleinen farblichen Einsprengseln und Pergamentecken sowie handschriftlich treu kopiertem Rückentitel, gibt den Anschein des originalen Interimsbandes auf eine gehobene Weise wieder. Bei einem Halbledereinband in Bordeaux-Rot, bezogen mit einem kräftigen grünen Büttenpapier, wird nur der Weißsche Titel auf dem Vorderdeckel wiedergegeben, um das schöne Rückenleder voll zur Geltung kommen zu lassen. Man wäre gespannt darauf, weitere individuelle Einbandgestaltungen des Buches kennenzulernen.

(Christiane und Norbert Grewe)