Bücherlust, Sammlerglück
Die Pirckheimer-Gesellschaft feiert ihren 50. Geburtstag
Von Klaus
Bellin
Ein liebenswürdiger, aufgekratzter Mann. Kommt, um das Buch abzuholen,
das druckfrisch auf dem Tisch liegt, will den Mantel gar nicht erst
ausziehen und tut es dann doch, nimmt den Band in die Hand, reißt die
Folie auf, blättert, sucht seinen Aufsatz und lässt sich gleich darauf
mit Freuden in ein Gespräch über alte Schriftsteller und legendäre
Editionen verwickeln. Die Worte, von Begeisterung gefärbt, sprudeln. Die
Augen leuchten. Der fabelhafte Almanach, den er gleich nach Hause tragen
wird, gehüllt in nobles Weiß, heißt »Jubelrufe aus Bücherstapeln« und
hat den schönen Titel von ihm, entliehen einem Text, der von seiner
einzigartigen Klopstock-Kollektion handelt, von seltenen Ausgaben und
kostbaren Drucken, von der Leidenschaft eines Bibliophilen, der in
seinen Regalen die Zeugnisse des 18. und 19. Jahrhunderts versammelt,
natürlich in den ersten Ausgaben.
Der Mann, Fritz Jüttner, ist promovierter Sprachwissenschaftler und
Besitzer einer Bibliothek, die das Zentrum seines Daseins ist und jeden,
der von ihr weiß (oder nun liest), in unbändiges Staunen versetzt. Er
hat sie, zum Entzücken all der gleichgesinnten Freunde, endlich einmal
in einem langen, detaillierten Bericht vorgestellt, und am Wochenende
wird er sogar einige der heiß geliebten und streng gehüteten Bände
herumzeigen, von ihren Besonderheiten, ihrer Geschichte und den
Umständen des Erwerbs erzählen. Auf diese Gelegenheit warteten schon
viele, die sich jetzt in Berlin trafen, um den 50. Geburtstag ihrer
Pirckheimer-Gesellschaft zu feiern.
Es hat damals lange gedauert, bis diese Interessengemeinschaft zustande
kam. Erste Anstrengungen, Bücherfreunde der DDR unter einem Dach zu
versammeln, gab es schon 1952, aber dann gingen doch noch ein paar Jahre
ins Land, ehe man sich am 29. Januar 1956 im Berliner Restaurant
»Budapest« zur Gründungsversammlung treffen konnte. Mit dabei einige
Männer mit großen Namen: Arnold Zweig, der die Begrüßungsworte sprach,
John Heartfield, der legendäre Verleger Heinrich Bachmaier und Bruno
Kaiser, der im schweizerischen Liestal den Herwegh-Nachlass entdeckt hat
und im Aufbau-Verlag die bislang unübertroffene Georg-Weerth-Ausgabe
edierte, ein Buchkenner und -liebhaber ersten Ranges.
In der »k. und k. Bibliophilie«, die Elmar Faber in seinem Beitrag für
den Almanach elegant umreißt, steht Kaiser zu Recht ganz vorn. Daneben
die anderen Männer, die der Pirckheimer-Gesellschaft früh das Gesicht
gaben: Horst Kunze, lange Chef der Staatsbibliothek in Berlin, ein
unermüdlicher Autor und Herausgeber, Albert Kapr, der Leipziger
Schriftkünstler, Wolfram Körner, der Berliner Chirurg (von Anfang an und
noch immer dabei), Jürgen Kuczynski mit seiner riesigen Bibliothek, der
Mathematiker Herbert Kästner, »ein Weltbürger in Büchers Landen«. Fehlt
noch Werner Klemke, auch er mit dem K am Anfang des Namens, wohl der
bekannteste in dieser Runde, der zauberhafte Künstler (und Sammler),
ohne den die oft (und zu Recht) gerühmte Buchkultur der DDR nicht
vorstellbar ist. |
Schöner, lebendiger, umfassender hat sich die Pirckheimer-Gesellschaft
(von den »Marginalien«, ihrer brillanten, jetzt bei Harrassowitz in
Wiesbaden gedruckten Zeitschrift, mal abgesehen) noch nicht präsentiert.
Hier, in diesem von Carsten Wurm liebevoll betreuten Geburtstagspräsent,
schluckt man keinen Bücherstaub. Da wird Bücherliebe nicht behauptet und
schon gar nicht trocken referiert. Da wird erzählt, wie man zu seiner
Bücherlust kam, ihr verfiel und sie auslebte mit allen Sinnen. Der eine
hat, unter anderem, lauter Erotika im Regal, der andere jagte nach
allem, was aus dem Malik-Verlag kam. Man blickt in eine Sammlung
mythosbezogener Kunst der Gegenwart oder steht, ein paar Seiten davor,
staunend vor den 120 000 Bänden, die der im vorigen Jahr |
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