Einer aber hat ihr ein Denkmal gesetzt, hat sie durch feine, liebevolle Beobachtung geadelt: Manfred Bofinger. Die Straße war sein Leben, über drei Jahrzehnte war er mit ihr verbunden. Er war lebendes Inventar der Plesserstraße, bis er sich im Januar mit 64 Jahren von dieser Welt verabschiedet hat. Er, der Zeichner, der Betrachtende und Anteilnehmende, kannte seine Straße, und die Bewohner kannten ihn. Entstanden sind literarische Miniaturen – Porträts von Ureinwohnern und Zugezogenen, von türkischen Italienern und deutschen Buch-händlern, von Mäusen, Hamstern und einem Edel-WC als weithin sichtbares Monument einer vergessenen Straße. Die Maus, ist zu erfahren, hatte sich in Bofingers Wohnung »eingemietet«. Eine unblutige Lösung sollte gefunden werden. Doch der Nager nahm das Friedensangebot nicht an. Abschließen konnte er sein Buch nicht, dafür sind Freunde eingesprungen und haben mit ihren Zeichnungen den Geschichtenband vollendet. F.W. Bernstein, Volker Pfüller, Klaus Ensikat, Rainer Hachfeld, Barbara Henniger und viele andere Meister des Zeichenstiftes. Mit ihren Bildern verneigen sie sich vor dem Freund und Künstler Manfred Bofinger. Die fremden Menschen, derer sich Bofinger annimmt, die da vorbeihasten oder in einer Kneipe ihr Bier trinken, werden auf einmal vertraut. Man kennt sie, hat sie gesehen und mit ihnen gesprochen. Den stillen Säufer, den verkrachten Künstler, den ewig nörgelnden Passanten oder das zu allem fähige Katastrophenkind – sie alle sind auch aus unserer Nähe. Es ist uns gegeben, uns täglich als Schauspieler zu beweisen: Zu lächeln, wenn einem zum Heulen zumute ist, dem Chef Freund-lichkeit vorzuspielen, obwohl man ihn nicht ausstehen kann, zu fluchen, wenn keiner hinsieht – mit einem Nebensatz enthüllt Bofinger die kleinen und großen allzu menschlichen Schwächen. Trotz der Nähe: Bofinger ist nie Du-Kumpel, er bleibt der Mann, mit dem man reden kann, der sich aber nicht vereinnahmen lässt. Bofinger, der unheimlich vielseitige und wahnsinnig produktive Zeichner und Illustrator, hat mit diesen Kurzgeschichten das weitergeführt, was er mit seinem »Krummen Löffel« begonnen hat: kleine Alltagsgeschichten aufzuschreiben, wie sie jeder irgendwie erlebt und nie zu Papier gebracht hat. Dank Bofinger hat eine ganze Generation gesagt: Ja, so war es, damals nach dem Krieg, so war das Leben eben. Und so ist man neugierig auf eine Straße, um zu vergleichen, ob die Leute dort tatsächlich so sind, so kauzig, wunderlich und so normal. Heute ist die Buchpremiere und Hommage an Manfred Bofinger. Der Schauspieler Axel Prahl, mit Bofinger in gemeinsamem Engagement für Kinder verbunden, wird einige Geschichten aus dem Buch lesen. Anschließend werden ausgewählte Illustrationen aus dem Buch in einer Auktion versteigert. Ein Teil des Erlöses wird an den Berliner Verein »Lesen und Schreiben« gespendet. |