Redaktionsschluss 4. Oktober 2007
Hans-Meid-Preise 2007. Die Jury Hans-Meid-Stiftung hat in diesem Jahr
eine geradezu kühne Entscheidung getroffen. Der Hans-Meid-Preis für
Buchillustration 2007, dotiert mit 10 000 Euro, geht an den noch in der
Ausbildung befindlichen Tobias Teschner aus Blankenburg. „Unter 140 Bewerbungen
ist T. Teschner mit besonders akribisch und grafisch hochdifferenzierten
Lithografien, Bleistiftzeichnungen und Linolschnitten aufgefallen. Er ist zwar
noch Student der Hochschule Burg Giebichenstein, Halle, und mit 23 Jahren der
bislang jüngste Preisträger, aber mit Illustrationen u.a. zu E. Jünger, G. Trakl
und eigenen grotesken Texten, die atmosphärisch dicht, surreal und eindringlich
gestaltet sind, hat er die Jury sehr beeindruckt“, heißt es in der Begründung
der Stiftung. Förderpreise (1500 Euro) erhalten Claudia Berg (Halle/S.) und
Nadine Respondek-Tschersich (Leipzig). „Berg (Jg. 76, Studium in Halle) hat vor
allem mit Radierungen zu J. Conrad, die intensiv und ausdrucksstark u.a. die
Doppelbödigkeit in Herz der Finsternis nachzeichnen (erschienen bei Büchergilde
Gutenberg 2007), die Jury überzeugt. Ebenso differenziert, wenn auch in ihren
Buntstiftzeichnungen z.B. zu F. Dostojewskij, Der ewige Ehemann (demnächst bei
der Büchergilde Gutenberg), körperlicher und farbiger, hat sich N.
Respondek-Tschersich (Jg. 76, Studium in Leipzig) vorgestellt und ihre
ausgezeichnete Gestaltungskompetenz gezeigt.“ Ergänzt werden kann, daß die
Pirckheimer-Gesellschaft gerade mit Claudia Berg einen originalgraphischen
Volker-Braun-Druck publiziert hat.
Buchkunst von Eckhard Froeschlin. Eine Ausstellung zur zeitgenössischen Buchkunst, die zunächst im Limburger Diözesanmuseum unterhalb des vieltürmigen romanischen Domes zu sehen war, zeigte vom 11. Oktober bis zum 2. Dezember das Dommuseum Frankfurt/Main. Eckhard Froeschlin präsentierte Handpressendrucke, Malerbücher, Mappengraphik und ra-dierte Dichterporträts in Lebensgröße. Froeschlin betreibt zusammen mit der Künstlerin Anne Büssow die EDITION SCHWARZE SEITE in Frankenhardt. Unübersehbar dekorativ auf einem handgearbeiteten Lesepult aufgeschlagen, lag die neueste Schöpfung von Eckhard Froeschlin, Sieben auf einen Streich, sieben Märchen der Brüder Grimm. Das 78 Seiten umfassende Buch mit sieben zwei- und dreiseitigen Farbradierungen und sieben Radiervignetten wurde im Li-notype-Bleisatz auf Bütten gedruckt (38 mal 29 cm) und in Leinen gebunden. Die Auflage beträgt 30 Exemplare. Beeindruckend in Gestaltung und Farbigkeit ist auch die Mappe Über-fahrt mit einem Text von Peter Weiss und sieben Farbradierungen (29 mal 39 cm) in einer Ganzleinenkassette (25 Exemplare). Im Mittelpunkt des graphischen Gestaltens dieses Künst-lers steht der Mensch. Das zeigen auch die illustrierten Texte in Lyrik und Prosa von Maura del Serra, Ezra Pound, Pablo Antonio Cuadra, Christoph Columbus, Antonin Artaud, Vincent van Gogh, Friedrich Nietzsche und Ruben Dario. Alle diese Bücher oder Mappenwerke in gutem Bleisatz sind mit Radierungen, zumeist farbig, versehen, welche den jeweiligen Inhalt kongenial ergänzen. Es entsteht sozusagen eine zweite Ebene der Schilderung. Gern nimmt Froeschlin Texte seiner Protagonisten mit in die Darstellung hinein, so vor allem bei den großformatigen Porträts von Jorge Luis Borges, Ezra Pound und Siegfried Kracauer. Die Künstlerbücher sind als Unikate natürlich handgeschrieben und mit Aquarellen und Gouachen geschmückt. Der vorzüglich gestaltete fadengeheftete Katalog mit guten Abbildungen enthält einen Aufsatz von August Heuser mit grundsätzlichen Anmerkungen zur Buchkunst sowie zum Werk von Eckhard Froeschlin. Weitere Hinweise findet man im Internet unter www.froeschlin-buessow.de.
Jacky Gleich
in Rangsdorf. Hier, in der Nähe Berlins, hat die bekannte und geschätzte
Bilderbuchillustratorin, 1964 in Darmstadt geboren, seit 1965 Kindheit und
Jugend verbracht. So war die Künstlerin, heute mit großer Familie in Mecklenburg
lebend, quasi zu Hause, als sie bei der Eröffnung ihrer Ausstellung Humpelhexe
und andere Kunst nicht nur für Kinder am 9. September im Kunstflügel Rangsdorf
zu erleben war. Diese Galerie, die es durch kontinuierliche
Ausstellungsvielfalt, durch Anspruch und Entdeckerfreude mit vergleichbaren
Galerien in der Hauptstadt Berlin aufnehmen kann, wird für die Gedok Brandenburg
(Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V.) von Dr. Gerlinde Förster
erfolgreich geführt.
Die Buchkünstlerin Katrin
Prinich-Heutzenröder in Heiligenstadt.
Ganz im Zeichen der Bilderwelten der Mühlhausener Künstlerin Katrin
Prinich-Heutzenröder stand das Theodor-Storm-Museum in Heiligenstadt im letzten
Quartal des Jahres 2007. Das alte Haus mit seinen Exponaten zu Storm und
Heinrich Heine, die ja beide wichtige Lebensstationen im Hauptort des südlichen
Eichsfeld verbrachten, bot das passende Ambiente für die grazilen graphischen
Geschöpfe der Thüringer Künstlerin. Katrin Prinich-Heutzenröder, 1970 in
Mühlhausen gebo-ren, studierte von 1990 bis 1996 bei Albrecht von Bodecker, Rolf
Felix Müller und Karl-Georg Hirsch an der Leipziger Hochschule und erwarb ihr
Diplom in der Fachrichtung Buchillustration und Graphik-Design.
Einzelausstellungen ihrer Arbeiten fanden bereits in Mühlhausen, Dresden,
Chemnitz sowie Edenkoben und Speyer statt. Beteiligt war sie an Ausstellungen in
Berlin, Gotha, Bad Hersfeld, Fürstenfeldbruck und Erfurt. Mit ihrem Mann Jörg
Herchenröder gründete sie in ihrem Heimat- und Wohnort die cochenille-presse. Im
Jahre 2001 rief sie dort eine Jugendkunstschule ins Leben, an der sie auch
unterrichtet.
Initialmalerei und Kalligraphie von Linde Kauert und Heinz Hellmis. Linde Kauert, ge-boren 1953 in Rathenow, ist bis vor wenigen Jahren vor allem mit Malerei hervorgetreten, farbenfrohen, großformatigen Acrylbildern – häufig Gruppen von Figuren auf der Suche nach Gemeinsamkeit darstellend. Durch die Begegnung mit dem Buchgestalter Heinz Hellmis hat sie Freude am Büchermachen und am Illustrieren gefunden. Nach einigen kleinen Pilotprojekten, so einem Hölderlin-Heft, entschloß sie sich, unterstützt von Hellmis, einen eigenen Verlag, Edition Zwiefach, zu gründen. Ein für Bibliophile besonders attraktives Produkt stellt der Kalender für 2008 Monatsbilder. Unfrisierte Gedanken von Stanisław Jerzy Lec dar.
Seine Idee besteht darin, zwölf Bilder aus den Initialen der Monate zu entwickeln. Hellmis, der in seine Buchgestaltungen gern kalligraphische Elemente integriert, schrieb den Buchstaben des Monats und seine Nummer im Jahresablauf ohne Absprache auf ein großes Blatt Papier, dabei auf bekannte Antiqua-, Fraktur- und Kursivschriften zurückgreifend. Durch diese Minimalvorgaben ließ sich Linde Kauert zu teils kühnen Farbbildern anregen, die dem Buchstaben und dem Charakter des Monats gerecht werden. So bilden die Rundungen eines Fraktur-M den prallen Leib eines kühn dahinschreitenden Herrn in roten Hosen, der ebenso wie sein begleitendes Hündchen in Frühlingsgefühlen schwelgt.
Hellmis hat dazu mit der Hand einen passenden Aphorismus des
polnischen Dichters Lec geschrieben. Überraschend ist auch das Augustbild, auf
dem das A zu einem verwegenen schnauzbärtigen, mit Äpfeln jonglierenden Lebemann
ausgemalt ist. Der Kalender greift unverkennbar auf die Kunst der Initialmalerei
zurück, wie sie die alten Illuminatoren geliebt haben. Der Offsetdruck im Format
34 mal 30 Zentimeter (ISBN 978-3-940408-01-3) ist mit einer Spiralbindung
versehen und kostet 25 Euro. Ein von beiden Künstlern signiertes Exemplar kann
beim Verlag (Elsgrabenweg 16, 13597 Berlin, lindekauert@freenet) bestellt
werden.
Für den Kampf in der Arena bestimmt, bricht er aus der Bahn aus und verbrüdert sich mit der jungen Löwin, mit der er sich eigentlich zum Gaudi des Publikums zerfleischen soll. Entstanden ist so etwas wie eine Folge von kleinen Gemälden, bei denen virtuos die Gefühlswerte der Farben eingesetzt werden. Der illustrierte Pappband im Oktavformat (ISBN 978-3-940408-00-6) kostet 18,90 Euro. Auf der Homepage des Verlages www.linde-kauert.de sind weitere Angebote zu finden, so großformatige kalligraphische Blätter von Heinz Hellmis zum Thema Schrift.
Spurensuche in Europas Bibliotheken. Die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz lud im Frühsommer zu einer Ausstellung ein, die in einem Begleitheft dokumentiert wurde: Menschenräume. Der Zeichner Rolf Escher auf der Spurensuche in Europas Bibliotheken. Text von Birte Timmermann. Berlin: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 2007. 23 S. (Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; 26) Pp. 8° 3,90 Euro. ISBN 978-3-99053-146-8. Rolf Escher hat viele große und kleine, bekannte und weniger bekannte Bibliotheken der verschiedensten Art besucht und in ihnen gezeichnet. Die Kulisse alter, charismatischer Bibliotheken zog den 1936 geborenen Zeichner und Graphiker erst spät in ihren Bann. Sein erster Bücherzeiten-Zyklus entstand Ende der achtziger Jahre. Seitdem reist er zu den Bibliotheken des alten Europa, und dokumentiert sie auf seine Weise. Die Kritiker sind voll des Lobes: „Die Zeichnungen von Rolf Escher geben den alten Bibliotheken ihre Seele zurück“ (Paul Raabe). „Die Bibliothek, wie Rolf Escher sie uns, den Betrachtern, in ihrem Spannungsreichtum zum Meditieren, nicht zum Blättern, vorführt, ist Schatzhaus des Geistes, Gedächtnis der Menschheit und Heimstatt der Vernunft“ (Walter Jens). Rolf Escher wählte für die Berliner Ausstellung unter anderem Einblicke in die Berliner Staatsbibliothek, die Bibliothek Friedrich II. im Schloß Charlottenburg, die Warburg-Bibliothek Hamburg, die Bibliotheca Casanatense Rom, die alte Bibliothèque Nationale in Paris und die Universitätsbibliothek in Coimbra aus. Der Katalog enthält zehn Abbildungen. Der „Tod als Bibliothekar“ von 1999 findet sich leider nur auf der Rückseite der Einladung zur Ausstellungseröffnung.
Theater in
Folio und Oktav. Bühnengeschichte als Sammelgebiet. Zu diesem Thema sprach
am 23. April 2007 vor dem Berliner Bibliophilen Abend Dr. Rainer Theobald. Schon
sein Werdegang weist ihn als Kenner der Theatergeschichte aus: Nach dem Studium
der Theaterwissenschaft war er unter anderem an der Deutschen Oper Berlin und am
Schillertheater Dramaturg unter Barlog, später arbeitete er als Buchhändler.
Theatergeschichte betreibt er als Privatgelehrter. Mit seiner bedeutenden
theatergeschichtlichen Sammlung steht er in der Reihe so großer Sammler wie
Louis Schneider, Gotthilf Weisstein oder Walter Unruh. Große Bestände in
öffentlicher Hand befinden sich außer in München (Deutsches Theatermuseum) im
Berlin-Museum und am FU-Institut für Theaterwissenschaft. Theobalds Bibliothek
und das rund 21 000 Einzelstücke umfassende Archiv sind zwar nicht öffentlich
zugänglich, doch zahlreiche Projekte in Forschung und Lehre konnten mit seiner
Hilfe verwirklicht werden. Bemühungen, seine Sammlung in eine der genannten
Institutionen zu integrieren, scheiterten nach seiner Auskunft an der Ignoranz
der Berliner Kulturbürokratie.
Zimelien
aus Bibliothek und Bildarchiv des Staatlichen Instituts für Musikforschung.
Am 11. Juni 2007 besuchte der Berliner Bibliophilen Abend das „Staatliche
Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz (SIMPK)“ in
Berlin-Tiergarten, das seit 1962 die Ar-beit des „Instituts für
musikwissenschaftliche Forschung zu Bückeburg“ und diverser anderer bis 1945
bestehender Einrichtungen fortsetzt. Während das Museum hauptsächlich
Musikinstrumente zeigt, sammelt die zugehörige Bibliothek Medien jeder Art zu
den Themen Musikgeschichte, Musiktheorie und Organologie. Obwohl nach
kriegsbedingten Zerstörungen die Sammlungen erst wieder aufgebaut werden mußten,
sind die zusammengetragenen Schätze, die uns in Auszügen präsentiert wurden,
beeindruckend.
Publikationen der Bauakademie zu Architektur und bildender Kunst. Der
Berliner Buchwissenschaftler Wolfgang Tripmacker war lebenslang im Verlagswesen
tätig, die meiste Zeit als Publikationsverantwortlicher der 1951 gegründeten
Deutschen Bauakademie, der späteren Bauakademie der DDR. 1992 erschien im
Münchner K. G. Saur Verlag seine Bibliographie der 4695 Titel, die bis zur
Auflösung der in Deutschland einzigartigen Akademie im Jahre 1991 erschienen
sind. Die Bibliothek von 180 000 Bänden wurde eingelagert, ihr weiteres
Schicksal ist nicht bekannt. Am 24. September 2007 sprach der Autor im
Heimatmuseum Berlin-Charlottenburg vor Mitgliedern und Gästen des Berliner
Bibliophilen Abends e.V. über ausgewählte Publikationen der Akademie zu den
Themen Architektur und bildende Kunst. Nur im Kleingedruckten waren die in
Zusammenarbeit mit bekannten DDR-Verlagen (Sachsenverlag Dresden, Henschelverlag
Berlin und andere) grundsätzlich durch Akademiemitglieder und Angestellte der
Akademie erarbeiteten Werke als Editionen der Bauakademie zu erkennen. Der
vielleicht bekannteste Bestseller und zugleich Longseller war das Buch von Fritz
Löffler Das alte Dresden.
Ich wollt, ich wär ein Eskimo ist die von der Literaturwissenschaftlerin Gudrun Schury im Aufbau-Verlag vorgelegte Biographie Das Leben des Wilhelm Busch übertitelt. Alle Welt kennt die Bildergeschichten des großen Humoristen, Zeichners und Literaten; über das Leben des die Öffentlichkeit nie suchenden Autors allerdings ist nur wenig bekannt. Sein bevorstehender 100. Todestag Anfang 2008 gab nun Anlaß zu umfangreichen Recherchen über Buschs künstlerischen Werdegang, seine Inspirationsquellen und Arbeitstechniken, sein Verhältnis zu Frauen, Kindern und Tieren, zum Alkohol- und Tabakkonsum. Es ist Gudrun Schu-ry in beeindruckender Weise gelungen, ein komplexes Bild von Buschs Persönlichkeit zu entwerfen, ihn von vielen Vorurteilen zu befreien und auch als philosophischen Kopf, Avantgardisten und künstlerischen Neuerer zu zeigen. Nicht ohne Grund ist das Urteil von August Macke zitiert: »Der erste Futurist war eigentlich Wilhelm Busch«. In den mit »Promenaden« überschriebenen Kapiteln geht die Autorin dem Lebensweg Buschs nach, die dazwischengeschalteten »Bilder« verweilen bei einem Sujet und regen an zum Vergleichen und Tieferloten. Gudrun Schurys flüssiger, anschaulicher und ausdrucksstarker Stil macht das Lesen zum Vergnügen. Die überlegt in den Text eingefügten Wort- und Bild-Zitate Buschs sind im Anhang nachgewiesen, wie auch ein Literaturverzeichnis und Register nicht fehlen. Der Verlag spendierte sogar einen Bogen für Farbabbildungen von Buschs Gemälden, zu denen man gern noch Entstehungsjahr, Originalgröße und Standort erfahren hätte. Alles in allem ein wichtiger und würdiger Beitrag zum Busch-Gedenkjahr 2008.
Leibniz-Briefwechsel wird Weltdokumentenerbe. Der Briefwechsel des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) ist zum UNESCO-Weltdokumentenerbe ernannt worden und steht damit in einer Reihe mit 120 schriftlichen Zeugnissen aus aller Welt, darunter der Azteken-Codex in Mexiko, die Archive des Warschauer Ghettos und die Göttinger Gutenberg-Bibel. Der Briefwechsel befindet sich in der Wilhelm-Leibniz-Bibliothek Hannover und umfaßt mit 15 000 Briefen an 1100 Korrespondenten die wichtigsten Bereiche der Wissenschaften. Er stellt ein einzigartiges Zeugnis der europäischen Gelehrtenrepublik im Übergang vom Barock zur Frühaufklärung dar. Mit der Aufnahme des Leibniz-Briefwechsels ist Deutschland mit zehn Einträgen im UNESCO-Weltdokumentenerbe vertreten (www.unesco.de/mow.html).
Bobrowski in der Galerie Schwarz und Weiss. Anläßlich seines 90. Geburtstages am 9. April 2007 wurde der Dichter Johannes Bobrowski, bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1965 Mitglied unserer Gesellschaft, an kleinen und größeren Orten auch in und um Berlin durch Lesungen und Ausstellungen geehrt: im Kleisthaus Frankfurt/Oder, in der Marienkirche zu Beeskow, in der Bobrowski-Bibliothek und im Café MokkaMehr Berlin-Friedrichshagen, wo seit 2006 die Johannes-Bobrowski-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Verlag Kook-books in der Lesereihe „Bobrowskis Mühle“ junge Autoren vorstellt, die immer auch Bobrowski lesen. Und zuletzt nun Bobrowski auch in Lawitz, einer 600-Seelen-Gemeinde an der Oder kurz vor Kloster Neuzelle. Hier betreibt der Fotokünstler Martin Gander zusammen mit seiner Frau seit 1999 in der Waldstraße 5 die Galerie Schwarz und Weiss. Am 21. Juli 2007 las der Schauspieler Ezard Haußmann vor zahlreichem Publikum aus nah und fern Kurzge-schichten und Gedichte von Johannes Bobrowski. Motto des Abends: „Einmal haben wir beide Hände voll Licht.“ Die Galerie befindet sich in der ausgebauten Scheune eines ehemaligen Bauernhofs und beeindruckt durch ihr lebendiges dörfliches Ambiente. Fotokunst und eher weniger bekannte Künstler (Arno Tamkus, Leo Tesch, Joachim Zintel …) sind Schwerpunkte der Ausstellungen. Die Bobrowski-Lesung fand während zweier Ausstellungen mit Arbeiten von Siegfried Schütze (geb. 1940) und Martin Gander statt. Der in Berlin lebende Schütze zeigte Malereien, plastische Arbeiten und Installationen in seiner Ausstellung Ero-sion Gotland. Beeindruckend die Steinerne Bibliothek, eine Installation aus teilweise bearbeiteten fossilen Kalksteinplatten, Marmor und Hartfaser. Die Malereien, in denen schrundiges Gestein und andere Inselerfahrung in unmittelbar erlebter erdener und erosiver Farbigkeit der rauhen Natur auf die Leinwand gebannt sind, „Zeichen geronnener Zeit“, strahlen kraftvolle Erregung und Demut zugleich aus. Allein die Titel geben Aufschluß: Erosionsgeflüster, Erde – Licht, Felsklippen von Simrishamn, Uferstück – Gotland, Erdauge, Turbulentes Fließen … Die Werke korrespondieren erstaunlich direkt mit der Bildwelt und Sprache Bobrowskis und erinnern an die späten auf Bornholm entstandenen „inneren Landschaften“ Horst Zickelbeins. Ezard Haußmann wird wiederkommen, für 2008 ist eine Hermann-Hesse-Lesung versprochen. Und für Pirckheimer-Freunde sei auf dem Weg in die Touristen-Hochburg Neuzelle ein Abstecher in die Galerie Schwarz und Weiss in Lawitz (www.martin-gander-galerie.de, Tel.: 0171-6071219) empfohlen.
Exlibris aus der Sammlung
Paul Heinicke. Erstmals legt das Museum Schloss
Burgk einen Bestandskatalog seiner bedeutenden Exlibris-Sammlung vor. Grundlage
bildet die Sammlung von Paul Heinicke (1874 Frankenberg/Sachsen – 1965 Berlin),
die dem Museum 1980 von dem Sohn Erich Heinicke (1909-1984) als Schenkung
übereignet wurde: Exlibris aus der Sammlung Paul Heinicke. Mit Beiträgen von
Sabine Schemmrich und Dr. Lothar Sommer. Museum Schloss Burgk 2007. 120 S., mehr
als 450 Abb. Br. 8° quer. 13,50 Euro. ISBN 3-86103-039-X. Von 1980 bis heute
sind mehrere kleinere und größere Sammlungen hinzugekommen, so daß sich der
Bestand in Schloss Burgk mit seinen 70 000 Blättern zu einer der größten
Spezialsammlungen in Deutschland entwickelt hat. Sabine Schemmrich (Schloss
Burgk) erläutert in ihrem Beitrag Sammeln, Bewahren, Vermehren und Ausstellen
die Sammlungsprinzipien. Neben Exlibris sammelt das Haus Künstlerbücher,
originalgraphische Zeit-schriften und führt eine Bibliothek. Zu den
Museumsaufgaben gehören auch Sonderausstellungen zeitgenössischer Kunst. Nicht
umsonst erhielt das in einer der schönsten Gegenden Deutschlands gelegene Museum
1999 den Kulturpreis des Landes Thüringen.
Die Tschechische Bibliothek. Nach zehn Jahren ist die von Prof. Dr. Hans-Dieter Zimmermann, der Deutschen Verlags-Anstalt und der Bosch-Stiftung initiierte und unter der Schirmherrschaft der Präsidenten Deutschlands und Tschechiens stehende Reihe Die Tschechische Bibliothek in 33 Bänden komplett. Bei einem Empfang im Berliner Schloß Bellevue erinnerte Bundespräsident Horst Köhler an die lange gemeinsame europäische Geschichte beider Länder. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch der Zugang zu Leben und Denken unserer Nachbarn. Die Herausgeber setzten den Schwerpunkt auf Publikationen von Künstlern, Philosophen und Publizisten der letzten beiden Jahrhunderte. Sorgfältig ausgewählt, vereint die Reihe den klassischen Bestand tschechischer Literatur- und Geistesgeschichte. Dazu gehören unter anderem der Roman Gottes Regenbogen von Jaroslav Durych, Prosa, Poesie und Tagebücher von Karel Hynek Mácha, Novellen und Erzählungen von Peter Demetz, eine Sammlung von Reisebildern von Jan Neruda, die Dramen von Václav Havel, Musikerbriefe, Texte tschechischer Philosophen sowie die Essays und programmatischen Manifeste der Prager kubistischen Avantgarde. In einem Interview äußerte sich Hans-Dieter Zimmermann auch zur Zahl 33: „Es gibt einen tschechischen Zungenbrecher: Dreihundertdreißig Lerchen fliegen übers Dach. Wir haben nun dreiunddreißig Lerchen über deutsche Dächer fliegen lassen und hoffen, daß sie wahrgenommen werden.“ Die Tschechische Bibliothek ist ein lohnendes Sammelobjekt für Bücherfreunde. Nähere Informationen finden sich im Internet unter www.tschechische-bibliothek.de.
Wehre den Anfängen! Oettingers Handschriftenverkauf. Unter dieser Überschrift berichteten wir über einen Kulturgüterstreit in Baden-Württemberg kurz nach dessen Ausbruch (MARGINALIEN H. 184, 2006, S. 110-111; als Ergänzung dazu Vierzig Jahre Badische Bibliotheksgesellschaft im gleichen Heft S. 94-95). Eine aktuelle Publikation wendet sich nun zusammenfassend an breite Kreise der Bevölkerung, an Bibliothekare und Bücherfreunde und an die politischen Entscheidungsträger: Die Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek. Bedrohtes Kulturerbe? Hrsg. v. Peter Michael Ehrle, Ute Obhof. Gernsbach: Casimir Catz Verl., 2007. 160 S. Pp. 8°. 16,80 Euro. ISBN 978-3-938047-25-5. Hier haben Beroffene auf ein bedrohliches Ereignis (Erstveröffentlichung 20. September 2006) schnell, vehement, aber hochgradig professionell mit einer Ausstellung (28. Oktober 2006) und einer Publikation (Ablieferung der Druckvorlage 20. Januar 2007) reagiert. Entstanden ist ein facettenreiches Bild zu einem Streit, der weite Kreise ziehen könnte. Die Autoren untersuchen die Handschriftensammlung unter politischen Aspekten (die Kulturpolitik des Landes Baden-Württemberg, die Geschichte des Hauses Baden, erste Zwischenbilanz des Kulturgüterstreites), historischen Aspekten (das eigentliche Streitobjekt, die Handschriftensammlung, unter besonderer Berücksichtigung der Provenienz) und juristischen Aspekten (Grundfragen zum Rechtsstatus der Handschriften). Trotz des Zeitdrucks sind Umschlaggestaltung (unter Verwendung eines Ausschnitts einer Handschrift aus dem ehemaligen Benediktinerkloster auf der Reichenau), Typographie, Layout und Druck von ausgezeichneter Qualität. Fazit: „Der über Jahrhunderte gewachsene Bestand bildet als Ensemble eine unersetzliche Quelle für die Geschichte Europas und speziell für die historisch-kulturellen Zusammenhänge des südwestdeutschen Raumes.“ Die Reaktionen auf das Ansinnen des Hauses Baden und das fahrlässige Verhalten der Landesregierung sind ein Musterbeispiel an Wachsamkeit. Mit dem Streit wird aber auch sichtbar, daß die Verengung des Kulturbegriffs auf „Eventkultur“ und auf die Kommerzialisierbarkeit von Kulturgütern dazu führt, daß der Bevölkerung Handschriften und andere schriftliche Dokumente nach dem Sprichwort „aus den Augen aus dem Sinn“ geraten sind. Ein Ministerpräsident zeigt sich schon aus wahltaktischen Gründen lieber auf Volksfesten oder Arm in Arm mit einem berühmten Dirigenten als mit einer Handschrift aus dem 11. Jahrhundert. Wir bleiben bei Ovid: „Wehre den Anfängen. Was man begehrt und wünscht, ist man zu glauben bereit.“
Der Nachlaß des Schriftstellers Rudolf G. Binding. Zu den mehr als 1200 Nachlässen und zahlreichen Vorlässen des Deutschen Literaturarchivs in Marbach gehört seit kurzem auch der durch eine Erbschaft erworbene Nachlaß von Rudolf G. Binding (1867-1938), der bislang noch im Besitz des Sohnes Enzian Binding war. Binding gehörte zu den konservativen Schriftstellern, die das literarische Leben der Weimarer Republik mitprägten und schließlich bei der Gleichschaltung der Preußischen Akademie der Künste eine unrühmliche Rolle spielten. Spektakulär war seine Kontroverse mit Romain Rolland am Beginn der nationalsozialistischen Zeit. Schon wenige Jahre später waren er und die Akademie ins Abseits geraten. Im Nachlaß befinden sich neben Werkmanuskripten Korrespondenzen mit Schriftstellern wie Ina Seidel, Gerhart Hauptmann und Stefan Zweig und Künstlern wie Georg Kolbe, Alfred Kubin und Gerhard Marcks sowie ein von Max Beckmann gemaltes Porträt. Die Auswertung dürfte manche neue Facette zum Bild der konservativen Literatur hinzufügen.
Klassische Trouvaillen – Die
Bibliotheca Anna Amalia. Im Frühjahr
2007 machte mit dem Kriegsbericht Auch ich in der Champagne! der ehemalige
Leiter der Großherzoglichen Bibliothek in Weimar Johann Wolfgang Goethe den
Auftakt zu der zwölfbändigen Bibliotheca Anna Amalia. Die von Julia und Eberhard
Wolf schön gestaltete und in Leinen gebundene Reihe der Süddeutschen Zeitung,
die vom Aufbau-Verlag editorisch betreut wurde, öffnet einen Blick auf die
kostbaren Bestände der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, auf einen Kulturschatz,
der am 2. September 2004 durch den verheerenden Brand im Rokokosaal teils
zerstört, teils beschädigt wurde. Der Blick in diesen Bücherkosmos verfolgt
zugleich einen guten Zweck: Mit jedem verkauften Band geht ein Euro an die
Bibliothek und hilft der Restauration.
Jahrmärkte auf historischen Postkarten. 1975 huldigte der erste Vorsitzende unserer Gesellschaft, Bruno Kaiser, in einem bei Edition Leipzig erschienenen Buch der Ansichtskarte aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, „sofern auf diesen Karten Bücher oder Leser oder Leserinnen zur Ansicht dargeboten werden“ (Bücher ohne Titel oder Die Schwarte auf der Karte). 1979 führte Hartmut Pätzke in die Geschichte und das Sammeln von Postkarten ein (MARGINALIEN, H. 74, 1979), ein Jahr später gab unter der Überschrift Ich sammle Ansichtspostkarten! mein viel zu früh verstorbener Freund Lothar Kretzschmar einen Einblick in seine über 15 000 Karten umfassende Sammlung (MARGINALIEN, H. 77, 1980). Der Boden ist also bereitet, um sich einen kulturgeschichtlichen Streifzug zu Gemüte zu führen: Sacha Szabo. Kirmes, Jahrmarkt und Volksfest im Spiegel historischer Postkarten. Ein kulturgeschichtlicher Streifzug. Vorwort von Frank Lanfer. Hildesheim: Olms, 2007. 71 S. Pp. 8°. 16,80 Euro. ISBN 978-3-487-08468-8. Der Autor erweckt vergangene Jahrmarktswelten zum Leben. Auf den Karten finden sich die Attraktionen der Jahrmärkte der Jahrhundertwende – Kraftmesser und Schießbuden, die Glücksspielgeschäfte, die bunte Vielzahl der unterschiedlichsten Schaubuden, artistische Vorführungen, technische Attraktionen wie Karussells und Achterbahnen, Tiere in Menagerien, Kuriositäten-Shows mit Menschen, die durch Krankheiten mißgebildet oder durch exotisches Aussehen besonders interessant wirkten. Das alles ist eingebunden in Erläuterungen des Verfassers. Er beschreibt die abgebildeten Postkarten, gibt eine kurze Geschichte der Volksfeste und Vergnügungsparks und Hinweise auf die Herstellung der Karten. „All die dargestellten Attraktionen vereint eines: ein Rausch, dem auf dem exklusiven Ort des Festplatzes gefrönt wird.“ Die Illustrationen sind besonders wertvoll, weil sie den Beginn der Industrialisierung der Freizeit zeigen. Ein gelungener, leider viel zu kurzer Beitrag des Soziologen und Publizisten Sacha Szabo, zur Kultur um 1900. Und heute? Durch den Wandel der Freizeitkultur und damit auch der Festkultur sind aus selten stattfindenden Volksfesten inflationäre Kopien zu allen Jahreszeiten und zu allen Anlässen geworden.
Impressionen von der
Frankfurter Buchmesse. Der Bibliophile
steuerte zielstrebig seinen Zufluchtsort an: In der Halle 4.1 fanden sich die
schöngeistigen Verlage, die Anbieter von wertvollen Faksimiles und die
Pressendrucker rund um den „Platz der Buchkunst“. Ein Hoffnungszeichen für die
Zukunft der Buchkunst waren die Stände der Hochschulen mit Ausbildungsgängen in
Buchgestaltung und Design (Bielefeld, Dortmund, Halle und Krefeld). Hier wurden
Diplom- und Semesterarbeiten gezeigt, die von hoher Ausbildungsqualität zeugen.
Das aktuelle buchkünstlerische Schaffen der Hochschulen wäre eine eigene
Untersuchung und Darstellung wert.
Lothar Sell – Holzschnitt Kalender 2008. Anzuzeigen ist ein weiterer Kunstkalender. Er enthält zwölf herauslösbare signierte Holzschnitte von Lothar Sell sowie einen signierter Titelholzschnitt. Der Kalender wird in einer Auflage von 100 Exemplaren von Dieter Meier gedruckt auf Hahnemühle-Bütten und kann zum Preis 125 Euro bezogen werden bei dem Herausgeber Jürgen Wenzel, Zur Linde 45, 01809 Burgstädtel, OT Dohna (www.maler-grafiker-wenzel.de; 0351 2817751).
Pressendruck der Pirckheimer-Gesellschaft. Soeben erschien Vor den Ruinen. Fünf Gedichte von Volker Braun und [drei ganzseitige] Kaltnadelradierungen von Claudia Berg. Herausgeber ist die Pirckheimer-Gesellschaft e.V. Die Auflage beträgt 40 von dem Autor und der Künstlerin signierte Verkaufsexemplare sowie 10 römisch numerierte Künstlerexemplare. Das Buch im Format von 22 mal 28 Zentimeter wurde gestaltet von Claudia Berg und Prof. Helmut Brade, Halle-Giebichenstein. Axel Möbest hat es im Bleisatz gesetzt und gedruckt, der Druck der Radierungen erfolgte durch Heiner Bunte, ebenfalls Halle. – Die Gedichte sind Reflexionen Volker Brauns über einen Mexiko-Aufenthalt und erscheinen hier im Erstdruck. Begleitet werden sie durch ganzseitige Kaltnadelblätter der Hallenser Künstlerin Claudia Berg. – Der Vorzugspreis für Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft beträgt 150 Euro, der Preis für Nichtmitglieder 250 Euro. |