Redaktionsschluss 4. Juli 2008

Mainzer Gutenberg-Preis an Michael Knoche
60 Jahre Aus dem Antiquariat
Johannes Bobrowskis Bibliothek geschlossen
Zur Biographie von J. H. W. Dietz
Der jüdisch-deutsche Literaturwissenschaftler Heinrich Spiero
Literatur zum Thema „Jüdisches Volkslied“
Zu Besuch bei der Saal-Presse
Archiv von Peter Wapnewski
Archiv des Rowohlt-Verlags
Wien und Berlin. Zwei Metropolen im Spiegel des Kinderbuches 1870-1945
Erwerbungen für die Kinder- und Jugendbuchabteilung der
     Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin
Buchkunst in der Galerie Pferdestall
Ein vergessenes Buchprojekt von Heinrich Vogeler wird endlich realisiert
Festschrift zum 60. Geburtstag von Georg Ruppelt
Talleyrand-Sammlung in Dresden
Das Informationsblatt der SLUB Dresden
Die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Text und Bild
Frühmoderne Bücherwelten
Gedenkschrift für den Autor, Galeristen und Antiquar Horst Brandstätter

 

 

 

 


 

Mainzer Gutenberg-Preis an Michael Knoche. Der Gutenberg-Preis – erstmals 1968 an Dr. Giovanni Mardersteig vergeben – wurde in diesem Jahr im Rahmen des Mainzer Johannisfestes am 21. Juni Dr. Michael Knoche, dem Direktor der Anna Amalia Bibliothek/Stiftung Weimarer Klassik, verliehen. Mit Michael Knoche wurde ein Bibliothekar geehrt, der sich praktisch und wissenschaftlich in den vergangenen Jahrzehnten, seit 1991 als Direktor in Weimar, für die Bestandserhaltung der Bücher und für das öffentliche Ansehen und die Bedeutung der Bibliotheken eingesetzt hat.
Die Laudatio hielt Dr. Lothar Müller (Süddeutsche Zeitung), der in seiner Ansprache auch auf die geradezu heldenhaften Bemühungen von Knoche bei der Rettung wesentlicher Bestände der Anna Amalia Bibliothek in der Brandnacht des 2. September 2004 einging. Unvergessen bleibt wohl vielen, wie Dr. Knoche aus dem lichterloh brennenden Gebäude eine wertvolle Lutherbibel rettete. Aber das war nur eine, wenn auch schreckliche und prägende Episode im Leben des Bibliothekars. Wichtiger ist – und bleibt wohl – das Kernanliegen Knoches, einerseits die Öffnung der Bibliothek hin zum Publikum und andererseits ihre Transformation ins digitale Zeitalter. Müller nannte die Weimarer Bibliothek mit ihren Literaturschätzen aus dem Zeitalter zwischen 1750 und 1850 ein „Schatzhaus und Forschungszentrum“ und ihren Direktor bezeichnete er als „Kenner und Anwalt des alten Buches und Organisator der neuen Bibliothek“, deren nachhaltige Entwicklung er energisch betreibe. In seinen Dankesworten rief Michael Knoche mit Nachdruck zur Erhaltung des Kulturgutes Buch auf.
FP


60 Jahre Aus dem Antiquariat. Die Zeitschrift Aus dem Antiquariat, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Antiquariat im Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V. kann in diesem Jahr auf eine sechzigjährige Geschichte zurückblicken. Am 30. Juni 1948 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift, damals im Anhang zum Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Sie ist in der Jubiläumsnummer 3, 2008 als Faksimile abgedruckt. Lange Jahre wurde Aus dem Antiquariat von dem Antiquar Bernhard Wendt redigiert, dem bis heute Karl Heinz Pressler, Ilse Unruh und Björn Biester folgten. Eine seltene Kontinuität, die durch anhaltende Treue der Leser, Antiquare, aber auch Sammler und buchgeschichtlich Interessierte möglich ist. Neben Berichten aus dem Antiquariatsbuchhandel finden sich in jedem Jahrgang Aufsätze, Ausstellungsberichte und Rezensionen aus fast alle Fachgebieten rund um das Buch, so zu Bibliotheksgeschichte, Buchhandels- und Antiquariatsgeschichte und auch Bibliophilie. Im Jubiläumsheft erinnert sich die frühere Mitarbeiterin der Zeitschrift Herta Schwarz (Jg. 1915) an die Anfänge, während Jürgen Holstein Verdienste und Versäumnisse der Redaktion aufführt.

Johannes Bobrowskis Bibliothek geschlossen. Eine zunächst schockierende Nachricht durchlief im Mai 2008 die Presse: Die Bibliothek des 1965 verstorbenen Dichters Johannes Bobrowski wurde von der Familie verkauft. Damit ist das Zimmer in der Berlin-Friedrichshagener Ahornallee 26, neben denen von Bertolt Brecht und Anna Seghers die letzte noch öffentlich zugängliche authentische Dichterstätte Berlins, endgültig verschwunden. Zum Trost sei auf Gerhard Wolfs Beschreibung eines Zimmers von 1971 hingewiesen, die mit den Fotos von Roger Melis die Erinnerung an diesen einzigartig atmosphärischen Raum wachhält. Doch der zweite Teil der Nachricht ist erfreulicher: Die Bibliothek ist von den Historischen Sammlungen der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) übernommen worden. Unter der bewährten Obhut Dr. Annette Gerlachs und ihrer Mitarbeiter Detlef Bockenkamm und Volker Scharnefsky wird sie neben den Bibliotheken von Franz Fühmann und Jürgen Kuczynski, alle drei Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft, ihren Platz erhalten. Im nächsten Jahr wird sie in einer ersten Ausstellung am neuen Ort vorgestellt.
Konrad Hawlitzki

Zur Biographie von J. H. W. Dietz. Am 7. April sprach im Charlottenburger Heimatmuseum Dr. Angela Graf, Leiterin der Gerd-Bucerius-Bibliothek und Sammlung Buchkunst im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, vor dem Berliner Bibliophilen Abend zur Geschichte des Verlages J. H. W. Dietz und stellte die Biographie des Verlegers in das Zentrum ihrer Ausführungen. Der 1843 geborene Verleger der Sozialdemokratie war schon in jungen Jahren Funktionär der Buchdrucker-Vereinigung, dann Technischer Leiter der Hamburger „Genossenschafts-Druckerei“. Schließlich vermachte ihm die SPD 1878 die Druckerei, um das Parteivermögen vor der Enteignung zu retten. Ein Jahr später aus Hamburg als „notorischer Sozialdemokrat“ ausgewiesen, konnte er im Königreich Württemberg 1881 den nach ihm benannten Verlag gründen, da dort das Sozialistengesetz kaum angewendet wurde. Somit wurde er zum einzigen legalen Unternehmer der Sozialdemokratie und diente ihr als Reichstagsabgeordneter bis 1918. Für sein anspruchsvolles Verlagsprogramm war Der wahre Jacob der sprichwörtliche „Goldesel". Die bis 1933 in vielen Arbeiterhaushalten gehaltene Satirezeitschrift finanzierte unter anderem die Zeitschrift Die neue Zeit, aber auch wissenschaftliche Werke, wie August Bebels Die Frau und der Sozialismus und die „Socialistica in großbürgerlichem Chic“ (Graf): die noch heute existierende, seinerzeit von Karl Kautsky redigierte Reihe Die internationale Bibliothek. In russischen Archiven lagert noch unerschlossenes Material von Dietz, der perfekt Russisch beherrschte. Sie zu erschließen, bleibt eine Aufgabe für Angela Graf. Ab 1900 nahm Dietz zwei weitere Gesellschafter in den Verlag auf und firmierte nunmehr unter „J. H. W. Dietz Nachfolger“. Seine Verlegerphilosophie, mit Publikumsrennern wissenschaftliche Werke zu finanzieren, ging auf. Dietz starb im August 1922. Reiches Bildmaterial begleitete den Vortrag von Angela Graf, die ein wichtiges Buch zum Thema veröffentlich hat (J. H. W. Dietz. 1843-1922. Verleger der Sozialdemokratie. Bonn 1998) und an einem anderen als Mitautorin beteiligt war (Empor zum Licht! 125 Jahre Verlag J. H. W. Dietz Nachf. Seine Geschichte und seine Bücher. 1881-2006. Bonn 2006). Von der Möglichkeit, diese Werke zu einem Vorzugspreis zu erwerben, machten etliche Zuhörer an diesem gelungenen Abend Gebrauch.
Jürgen Gottschalk

Der jüdisch-deutsche Literaturwissenschaftler Heinrich Spiero. Einen ersten Überblick über den Nachlaß Heinrich Spieros (Königsberg 1876 – Berlin 1947) erhielt der Berliner Bibliophilen Abend am 19. Mai 2008 von der Bibliothekarin Karin Manke, Leiterin des Tagebuch- und Erinnerungsarchivs im Heimatmuseum Treptow-Köpenick. Diese wichtige Einrichtung widmet sich der Erinnerungskultur speziell in den neuen Bundesländern. Assoziationen an das ähnlich strukturierte Privatarchiv des kürzlich verstorbenen Schriftstellers Walter Kempowski kommen unwillkürlich auf. Die Familie schenkte unlängst dem Heimatmuseum „fünf große Koffer“ mit Materialien des 1947 offiziell an einer Lungenentzündung verstorbenen, eher verhungerten Literaturwissenschaftlers! Postum erschien 1950 sein nur aus dem Gedächtnis geschriebenes Werk Geschichte des deutschen Romans, das er wenige Wochen vor seinem Tod im Manuskript beendet hatte. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Friedhof Kolonnenstraße in Schöneberg, eine Straße in Spandau ist nach ihm benannt. Spieros Vorfahren mütterlicherseits waren entweder Rabbiner oder Pfarrer, so auch der Theologieprofessor Eduard von Simson, väterlicherseits ausschließlich Rabbiner. Spiero ließ sich 1894 mit 16 Jahren taufen. Als überzeugter Christ wollte er kein „zweitrangiger Deutscher“ sein, verheimlichte die Taufe jedoch vor seiner Familie. 1917 in Berlin, arbeitete er unter Walther Rathenau im Kriegsministerium. Sein in zehn Bänden 1931 erschienenes Jedermann-Lexikon ist literaturgeschichtlich von hoher Aussagekraft. Im gleichen Jahr erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen. Spieros führende Rolle in der Raabe-Gesellschaft wird heute explizit wieder so gesehen. Ebenso bedeutend ist sein Wirken in der 1933 gegründeten Reichsvereinigung nichtarischer Christen, dem späteren „Paulus-Bund“, aus dem er laut Manke „herausgeekelt“ wurde. Das überlieferte Material zu diesem Komplex dient derzeit als Grundlage für eine Dissertation. Ab 1933 mit Schreibverbot belegt, „durfte“ er 1935 eine „Hilfsstelle“ unter dem Namen „Büro Dr. Heinrich Spiero“ eröffnen, die 1939 von Probst Grüber übernommen wurde. Sein vielfältiges literarisches Schaffen resultiert aus seiner intensiven Beschäftigung mit Wilhelm Raabe, Detlev von Liliencron, Paul Lindau, Richard Dehmel, Theodor Fontane, Matthias Claudius etc. Er bekleidete zahlreiche Ehrenämter, meist hatte er den Vorsitz inne oder war mindestens Vorstandsmitglied, so in der Schiller-Stiftung, dem „Verband der deutschen Dichter“, der Lessing-Gesellschaft, dem Schutzverband deutscher Schriftsteller, der Walther-Rathenau-Gesellschaft, der Levy-Lewinson-Familienstiftung und der Raabe-Gesellschaft. Karin Manke brachte etliche Originale aus dem von ihr verwalteten Nachlaß mit und unterstrich damit ein kaum bekanntes und doch sehr berührendes Einzelschicksal eines auch von den Bibliophilen wiederzuentdeckenden Autoren!
Jürgen Gottschalk

Literatur zum Thema „Jüdisches Volkslied. Eine sehenswerte Ausstellung im Evangelischen Gemeindehaus Ludwigshafen-Ruchheim zeigte im Mai Noten- und Liederhefte sowie Einzelblatt-Notendrucke aus der Sammlung von Jürgen Gottschalk, Vorstandsmitglied des Berliner Bibliophilen Abends. Anlaß für die Präsentation war der Jahrestag der Bücherverbrennung vor 75 Jahren. Der Ausstellungsraum der von der Initiative Buchkultur unter Leitung von Marita Hoffmann organisierten Schau war zu jener Zeit noch eine jüdische Synagoge gewesen, was an Details durchaus noch zu erkennen ist.
Die Bücher, teilweise recht abgegriffen und auf gefährdeten Papieren gedruckt, waren in Flachvitrinen präsentiert, die Titelseiten der Notendrucke unter Glas an der Wand. Dem mit dieser Materie noch nicht vertrauten Besucher bot sich eine Fülle an informativen Beispielen über das Volkslied der jüdischen Bevölkerung verschiedener Länder, vor allem aber des ostjüdischen, aschkenasischen Judentums. Der Reichtum an Volksliedern oder volksliedhaftem Liedgut im 19. und 20. Jahrhundert ist erstaunlich groß. Vor allem im ostjüdischen Schtetl wurde das Volkslied als Teil der Identität gepflegt.
Der wohl bedeutendste jiddische Liederpoet des frühen 20. Jahrhunderts war Mordechai Gebirtig, von dem die Hymne Die Schwuoh als Notendruck zu sehen war. Der Druck des Welterfolgs von Schlomo Secundas Bei mir biste schain (1937 bei Kammen in New York), eine Liebeserklärung an seine Frau, ließ beim Betrachter die bekannte Weise aufklingen. Das älteste der gezeigten Bücher war ein Sammelwerk der Lieder des Badchen Eliakum Zunser (1891 in New York). Eine Sammlung jüdischer Volkslieder, herausgegeben von Saul Ginzburg und Pessach Marek, erschien 1901 in St. Petersburg. Ein Reprint dieses Werkchens wurde 90 Jahre später unter dem Titel Yiddish folksongs in Russia in Israel herausgebracht. Enthalten sind in dieser Sammlung allerdings auch Badchen-Liedtexte, also volkstümliche jiddische Lieder von fahrenden Sängern, Alleinunterhaltern, Gelegenheitsdichtern und jiddischen „Liedermachern“. Das weltweit erste zionistische Liederbuch gab der Universitätsbibliothekar Heinrich Loewe 1894 in Berlin unter dem Titel Liederbuch für jüdische Vereine heraus. Weitere Liederbücher und Texthefte erschienen während der Kriegszeit in den USA. Dazu zählt auch die Selected Jewish Songs, ein 1943 in New York veröffentlichtes Liederbuch für jüdische Soldaten in der Armee. – Weitere Auskünfte zum Jüdischen Volklied und der vorliegenden Literatur erteilt gern Dipl.-Historiker Jürgen Gottschalk, Telefon 030-50593348, gottschalkjwh@arcor.de.
Ferdinand Puhe

Zu Besuch bei der Saal-Presse. Auf Grund des Pirckheimer-Newsletters vom 13. Mai 2008 mit einer Einladung zum Tag der offenen Tür neugierig geworden, machte ich mich auf den Weg nach dem 70 Kilometer entfernten Bergsdorf, die letzten 3 Kilometer über Stuckerpflaster. In dem beschaulichen, kleinen Dorf in der Nähe von Zehdenick bei Berlin weist ein Schild in der Mitte des Ortes zur Saal-Presse. Hinter dem Namen verbirgt sich keine besondere Drucktechnik, sondern ein ehemaliger Tanzsaal im Dorfgasthaus, in dem alle Maschinen und Gerätschaften untergebracht sind, unter anderem eine tonnenschwere Schnellpresse, auf der Graphiken bis zu einem Format von 70 mal 100 Zentimeter vom Stein gedruckt werden können. Dadurch, daß alles auf ebener Erde steht, ergaben sich auch keine statischen Probleme.
Angela Schröder kam aus Hamburg und Jürgen Zeidler aus (West-)Berlin, so daß man sich hier „fast“ in der Mitte traf. Die Gründe sind vielfältiger Natur: Man umgeht die hohen gewerblichen Mieten in der Stadt und hat bald auch die ländliche Ruhe schätzengelernt. Das Zusammenspiel von Wohnen und Arbeiten hat Vor- und Nachteile: Man ist nicht an feste Arbeitszeiten gebunden, bleibt flexibel, aber auch immer erreichbar! Erholung hat man vor der Haustür, doch die Wege zu den Auftraggebern sind weiter. (Ich habe, wenn auch in kleineren Dimensionen, ähnliche Erfahrungen gemacht, als ich mit meiner Frau die Arbeit aus der städtischen Buchbindewerkstatt in das kleinere Atelier am Rande der Großstadt verlagerte). In Bergsdorf bleiben die Künstler als Auftraggeber meist am Ort, bis alles fertig ist.
Eine Reiberhandpresse dient den Probedrucken, und für die unterschiedlichen Formate und Anforderungen haben die „Saaldrucker“ diverse Maschinen und Apparaturen angeschafft, so daß die künstlerischen Wünsche fast alle verwirklicht werden können. Steindrucke können bis zu einem Format von 70 mal 100 Zentimeter ausgeführt werden, Kupferdrucke bis 100 mal 200, Holz- und Linolschnitte bis 120 mal 230 und Offsetdrucke bis zu 70 mal 100 Zentimeter.
„Als wir beschlossen, gemeinsam eine Druckwerkstatt aufzubauen, hatten wir nach Berufsausbildung und Kunststudium beide bereits in verschiedenen Werkstätten gearbeitet und an unterschiedlichen Hochschulen unterrichtet. Und auch wenn die Ehe zweier Künstler-Drucker eine gute Voraussetzung sein kann, ist die Zusammenarbeit natürlich ein großes Abenteuer“, schreiben die Drucker in einem Flyer. Die Werkstatt für künstlerische Druckgraphik von Jürgen Zeidler und der Pirckheimer-Freundin Angela Schröder ist zu erreichen unter der Adresse: Bergsdorfer Dorfstraße 82, 16792 Zehdenick, OT Bergsdorf, Tel. 033088-50673, E-Mail saalpresse@gmx.de.
Werner G. Kießig

Archiv von Peter Wapnewski. Die Berliner Akademie der Künste hat das Archiv ihres Mitglieds Peter Wapnewski als Schenkung erhalten. Der Literaturwissenschaftler Wapnewski hat sich große Verdienste als Gründungsrektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin sowie als Professor an der Freien Universität und der Technischen Universität dieses Landes erworben. Das Archiv umfaßt Manuskripte seiner Arbeiten zur Geschichte des Mittelalters (unter anderem über Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach) und zum Werk Richard Wagners sowie eine umfassende Korrespondenz mit Schriftstellern und Kritikern aus der „Gruppe 47“.
Dieter Schmidmaier

Archiv des Rowohlt-Verlags. Zweimal wurden Teile des Archivs des Rowohlt-Verlags durch Feuer vernichtet: während des Zweiten Weltkriegs und 1970. Nun übergibt der Verlag dem Deutschen Literaturarchiv Marbach ein erstes Konvolut seines Archivs aus der Zeit ab 1946. Es besteht aus drei Teilen. Der erste Teil enthält zahlreiche Akten zur Verlagsgeschichte. Der zweite Teil besteht aus Lektoratsakten zu den Reihen das neue buch, Literaturmagazin und rowohlts deutsche enzyklopädie. Der dritte Teil enthält Briefwechsel mit Rowohlt-Autoren wie Rolf Hochhuth, Walter Kempowski, Ludwig Marcuse und Friederike Mayröcker. Teile aus diesem Archiv werden anläßlich des hundertjährigen Verlagsjubiläums in diesem Jahr im Rahmen der Veranstaltungsreihe Zeitkapsel in Marbach präsentiert. Die Archivalien des Rowohlt Verlags ergänzen im Deutschen Literaturarchiv den Sammelschwerpunkt der literarischen Verlagsarchive, zu dem unter anderem die Archive von S. Fischer und R. Piper & Co. gehören.
Dieter Schmidmaier

Wien und Berlin. Zwei Metropolen im Spiegel des Kinderbuches 1870-1945. So hieß eine Ausstellung vom 16. Mai bis 28. Juni in der Berliner Staatsbibliothek, die ihren Anspruch mehrfach einlöste, durch Erlesenheit und Vielfalt der Exponate, durch die vergleichende Präsentation, durch den sorgsam erarbeiteten und gestalteten Katalog und auch durch die drei begleitenden Veranstaltungen: die Wiener Illustratorin Lisbeth Zwerger und der Berliner Illustrator Aljoscha Blau im Gespräch, Präsentation des Buches Alex Wedding und die proletarische Kinder- und Jugendliteratur (mit den Wiener Herausgebern), Vortrag von Friedrich C. Heller über die Wiener Buchkunst für Kinder im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Die Ausstellung bot eine repräsentative Auswahl von Kinderbüchern aus der Privatsammlung des Wiener Kinderbuchsammlers und -forschers Friedrich C. Heller und aus den Beständen vor allem der Berliner Staatsbibliothek. Der interessierte Besucher erlebte die Bücher- und Bilderschau als eine vergnügliche Lehrstunde über den Einfluß nationaler und regionaler Besonderheiten auf die Kinderbuchproduktion in Wien und Berlin, über sieben Jahrzehnte und Stationen hinweg: Für Gott, Kaiser und Vaterland / Bürgerliches Leben / Die moderne Metropole / Neue Pädagogik / Kinderkunst – Kunst für Kinder / Jüdische Kinderbücher / Jungvolk – Jugendliteratur in der Zeit des Nationalsozialismus. Während die Ausstellung natürlich vor allem Vielfalt und Eigenart der künstlerischen Handschriften und wichtiger Verleger ins Licht rückte, geben die von Carola Pohlmann und Friedrich C. Heller erarbeiteten fundierten Katalogtexte Auskunft ebenso über historische Hintergründe, Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Lebendig werden das spezifisch kreative Milieu Wiens zur Jahrhundertwende und Wiens reiche Kinderbuchkunst vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg (Fibeln, Jugendschriftenbewegung, Gerlachs Jugendbücherei, Konegens Kinderbücher, Volksschatzreihe). Während Berlin als Handlungsort in Bilderbüchern große Bedeutung erlangte, ja zum Synonym für die Großstadt schlechthin wurde (Erich Kästner, Fred Durian, Friedrich Böer, Herbert Stuffer), war Wien seltener Thema in den ersten drei Jahrzehnten. Für Berlin wurde die Publikation anspruchsvoller links orientierter Jugendliteratur kennzeichnend, auch Bilderbücher russischer Illustratoren (Migranten).
Die Namen Erich Kästner, Walter Trier, Fred Durian, Fritz Eichenberg, Alex Wedding, John Heartfield bezeugen für die Weimarer Republik eine „berlintypische künstlerische Kreativität“, die Sonnen- und Schattenseiten des Lebens für Kinder spiegelte. Einhelliges Fazit aber schon in der Eröffnungsveranstaltung: Die schönsten Kinderbücher kommen aus Wien, in jenen Jahrzehnten nämlich, da sich Kindern die Welt vornehmlich aus Bilderbüchern erschloß. Für die Bilderbuchkunst beider Städte erwies sich die Nazibarbarei gleichermaßen als fatal: künstlerisch auffallende Bilderbücher fehlen. Alles in allem eine Ausstellung, die sowohl Liebhabern der Bilderbuchkunst wie historisch und wissenschaftlich Interessierten Genuß, Einsichten und Anregungen bot. Der empfehlenswerte gleichnamige Katalog ist für 10 Euro zu erwerben. Alle Exponate sind verzeichnet und beziehungsreich kommentiert, sparsam ausgewählte thematische „Perlen“ sind mit überwiegend farbigen Abbildungen versehen.
Ursula Lang

Erwerbungen für die Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin. Der Berliner Staatsbibliothek gelangen im Herbst 2007 zwei bedeutende Erwerbungen für die Kinder- und Jugendbuchabteilung. Die erste Erwerbung ist eine aus den USA angekaufte Privatsammlung mit rund 200 historischen Kinderbüchern. Sie gibt einen Überblick über die Lesestoffe US-amerikanischer Kinder vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Darunter sind Werke zur Bürgerrechtsbewegung der afroamerikanischen Bevölkerung, Kinderbücher der Black Panther Party und Bücher über das Leben der Indianer in den USA. Eine besondere Rarität sind jüdische Kinderbücher aus dem frühen 20. Jahrhundert und das Deseret Alphabet, eine Fibel aus dem Jahr 1868 in einer eigens für die Glaubensgemeinschaft der Mormonen geschaffenen Schrift. Viele dieser Bände sind in sehr kleinen Auflagen erschienen und heute kaum noch zu beschaffen. Die zweite Erwerbung besteht aus rund 2000 Illustrationen, Entwürfen und Skizzen aus dem Nachlaß des österreichischen Illustrators Ernst Kutzer (1880-1965). Kutzer war von 1910 bis 1945 einer der bekanntesten und beliebtesten Illustratoren im deutschsprachigen Raum. Er gestaltete mehr als 50 Kinderbücher, darunter in Zusammenarbeit mit Adolf Holst die Klassiker Hans Wundersam, Der Weihnachtsstern und Das goldene Tor. Nach 1945 entstand sein in Österreich am weitesten verbreitetes Bilderbuch Puckerl und Muckerl. Bekannt wurde Kutzer auch als Illustrator von Fibeln, Schulbüchern, Sprachlehrbüchern und Postkarten.
Dieter Schmidmaier

Buchkunst in der Galerie Pferdestall. Im Frühjahr 2008 erschien zur Ausstellung Viergespann in der Galerie Pferdestall im Quellenhof in Garbisdorf ein Katalog, der den Bibliophilen empfohlen werden kann: Göpfersdorfer Kunstblätter 1. Viergespann. Karl-Georg Hirsch, Rolf Münzner, Peter Schnürpel, Baldwin Zettl. Altenburg: E. Reinhold Verlag, 2008. 72 S. 14,80 Euro. ISBN 978-3-937940-48-9. Seit über 20 Jahren ist die Galerie von Günter Lichtenstein, dem Inhaber eines Geschäftes für traditionelle Holz- und Metallwaren im thüringischen Göpfersdorf bei Altenburg, ein Begriff für Freunde der Graphik. Als „Leitermann“ bekannt, hat Lichtenstein nicht nur zahlreiche Ausstellungen, die vornehmlich den graphischen Künsten gewidmet waren, veranstaltet, sondern auch graphische Editionen gefördert sowie mit Leidenschaft und zunehmender Sicherheit eine beachtliche Kunstsammlung aufgebaut. Lichtensteins Engagement wurde 1999 mit der Verleihung des Adam-Elsheimer-Preises im Rahmen der ART Frankfurt gewürdigt.
Nach 2001 konnte der inzwischen denkmalpflegerisch hervorragend sanierte Quellenhof in Garbisdorf (Ortsteil von Göpfersdorf) durch die Gemeinde Göpfersdorf erworben und als „Kulturgut Quellenhof“ der Öffentlichkeit übergeben werden. Viergespann war der sinnreiche Titel der ersten Ausstellung in der Galerie Pferdestall in Garbisdorf. Mit Karl-Georg Hirsch, Rolf Münzner, Peter Schnürpel und Baldwin Zettl vereint diese Exposition „vier Zugpferde – allesamt Meister der grafischen Kunst, die im Wissen um die großen Traditionen der Druckgrafik ihre jeweilige Technik exzellent beherrschen“, wie Günter Lichtenstein in seinem einführenden Katalogbeitrag schreibt.
Die Edition der Göpfersdorfer Blätter 1 wurde von Dieter Gleisberg (Altenburg) angeregt und als Dokumentation zur Ausstellung auch redaktionell betreut. Eine Hohe Schule der Grafik überschreibt der Autor sein die vier Künstler würdigendes Essay, das dem reich bebilderten Dokumentationsteil vorangeht. Als ausgewiesener Kenner und Liebhaber des Mediums Graphik stellt Gleisberg (vgl. auch Betrachtungen zum Begriff und Wesen der Graphik von Dieter Gleisberg in MARGINALIEN, 177. H., 2005) das Schaffen von Hirsch, Münzner, Schnürpel und Zettl differenziert in historische Zusammenhänge, zeigt Entwicklungsstufen auf und hebt damit die gedankliche Tiefe sowie die künstlerische Meisterschaft des Einzelnen überzeugend hervor. Eindrucksvoll bereichert wird der Band durch gedankentiefe Selbstbekenntnisse der Künstler zu ihrem Werk. Warum steche ich in Holz? fragt Karl-Georg Hirsch, Steinzeichnen ist lapidar Rolf Münzners Beitrag überschrieben, Zeichentage – Drucktage resümiert Peter Schnürpel über die Radierung, während Baldwin Zettl Gedankliche Skizzen zum Kupferstich als Lob auf das ewige Handwerk rühmt. „Lassen wir uns von diesem erlesenen Auf- und Angebot grafischer Höhenflüge fesseln, anregen, beflügeln und mitreißen“ (Dieter Gleisberg) und wünschen den Göpfersdorfer Kunstblättern wachsenden und dauerhaften Erfolg für die Zukunft!
Karl-Heinz Mehnert

Ein vergessenes Buchprojekt von Heinrich Vogeler wird endlich realisiert. Am 16. Juli 1913 wandte sich der Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler mit einer Idee für einen von ihm bebilderten Gedichtband an den Insel-Verlag in Leipzig, der schon mehrfach Bücher mit seinen Jugendstilgraphiken verlegt hatte: „Eine bekannte Dame, Frau Hertha König-Wörner [...] möchte Gedichte verlegt haben. Das Buch sollte mit 7 Zeichnungen von mir geschmückt werden (anliegend drei Proben). Mein Honorar zahlt die Dame selbst. Würden Sie Interesse für den Verlag dieses kleinen Buches haben?“ Bereits einen Tag später lehnte der Verlag das Angebot ab: „Zu den Gedichten der Frau Hertha König-Wiener, die Sie die Freundlichkeit hatten uns mit Ihren Zeichnungen zu senden, haben wir leider kein näheres Verhältnis gewinnen können, und sind daher zu unserem Bedauern außerstande, den Verlag zu übernehmen.“ Eine sorgfältige Prüfung des Manuskriptes fand wohl nicht statt, wie die umgehende Rücksendung vermuten läßt. Die Hochzeit des Jugendstils und damit die Nachfrage nach Vogeler-Buchgraphiken war vorüber und damit das Buchprojekt gestorben.
Nun, fünfundneunzig Jahre später, hat ein kleiner Bielefelder Verlag das Projekt wieder aufgegriffen und daraus ein bibliophil gestaltetes Buch gemacht: Hertha Koenig, Neue Gedichte. Mit 7 Zeichnungen von Heinrich Vogeler. Bielefeld: Pendragon Verlag, 2008. 93 S., Pappeinband mit Lesebändchen. 22,80 Euro. ISBN 3-86532-028-7. Da sich im Nachlaß Hertha Koenigs kein komplettes Manuskript des geplanten Bands mit dem Titel Neue Gedichte befindet, orientierte sich der Verlag an Gedichtthemen Hertha Koenigs, die durch die Titel der Vogeler Tuschezeichnungen vorgegeben sind, sowie an dem später von ihr im Insel-Verlag erschienenen Band Sonette (1917) und kommt so zu einer Rekonstruktion des seinerzeit abgelehnten Buches. Ergänzt wird die Herausgabe durch eine kenntnisreiche Einleitung von dem Vogeler-Kenner Theo Neteler, der dem Verhältnis Heinrich Vogelers zu der westfälischen Schriftstellerin, Mäzenin und Kunstsammlerin Hertha Koenig nachgeht. Den bibliophilen Charakter erhält das Buch durch die Einbandgestaltung, die ganzseitigen, in Originalgröße reproduzierten sieben Tuschezeichnungen Vogelers und nicht zuletzt durch die erstmalige Verwendung eines von Heinrich Vogeler entworfenen Vorsatzpapieres. Als Zusatz wird am Schluß des Buches der Entwurf eines Exlibris für Hertha Koenig abgebildet, das Vogeler jedoch nicht zur Ausführung brachte und sich heute als Tuscheskizze im Besitz der Nachfahren von Hertha Koenig befindet. Alles in allem ein gelungener, schön gestalteter Band, der sicher bei vielen Bibliophilen Beachtung finden wird.
Siegfried Bresler

Festschrift zum 60. Geburtstag von Georg Ruppelt. Dr. Georg Ruppelt, geboren am 3. Oktober 1947 in Niedersachsen, ist heute einer der bedeutendsten Bibliothekare und Bibliothekspraktiker der Bundesrepublik. Abgesehen von vielen verantwortlichen, in Vergangenheit und Gegenwart ausgeübten Funktionen, ist er seit 2002 Direktor der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover. Aus Anlaß seines 60. Geburtstags erschien eine Festschrift: Georg Ruppelt: Buch- und Bibliotheksgeschichte(n). Hildesheim: G. Olms Verlag AG, 2007. 229 S. Engl. Br. Gr.-8°. 19,80 Euro. ISBN 978-3-487-13429-1. Der Band enthält eine Auswahl von zwölf zum Teil stark überarbeiteten Aufsätzen zur Buch- und Bibliotheksgeschichte und widerspiegelt die mehr als fünfzigjährige berufliche wie persönliche Auseinandersetzung mit Büchern aller Art und Bibliotheken in jeder Erscheinungsform. Das Literaturverzeichnis am Ende des Sammelbandes enthält 450 Publikationen von Ruppelt bis 2007, wobei in den Abschnitten Rezensionen und Zeitungsbeiträge nur eine Auswahl getroffen wurde. Neben den grundsätzlichen Aufsätzen Georg Ruppelts zur Geschichte des Buch- und Bibliothekswesens findet der Leser Beiträge über eher triviale Bereiche der Bücherwelt, in denen es vieles zu entdecken gibt und Überraschungen positiver Art auf den Betrachter warten. Einige Beiträge haben durchaus vergnügliche Themen.
Es geht in den Texten zum Beispiel um Bücherschänder, Bücherdiebe und Verbrechen aus Bücherleidenschaft, merkwürdige Fälle aus der Zensurgeschichte, in zwei Beiträgen um Reclams UniversalBibliothek bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und im „Dritten Reich“, um Tarnschriften gegen die NS-Diktatur am Beispiel von Thomas Mann, Bücher und Zeitungen nach der Befreiung im Mai 1945, den Anfang der Zeitung vor 400 Jahren und ihre Entwicklung, in drei Beiträgen um Küchenliteratur und schließlich auch um Bibliotheksgeschichte, und zwar von der ersten Bibliothek im Alten Orient über die Entwicklung deutscher Bibliotheken unserer Zeit bis hin zur modernen multimedialen Bibliothek unserer Tage.
Als Resümee dieser interessanten Schrift kann das Bekenntnis von Georg Ruppelt aus dem Vorwort verstanden werden: „Bücher und Bibliotheken sind Wunder – sie sind Wunder, weil sie auf kleinstem oder vergleichsweise kleinem Raum die Welt abbilden, wie sie ist, wie sie war und wie sie (möglicherweise) sein wird, aber auch wie sie sein sollte und wie sie sein könnte. Bücher und Bibliotheken sind Speicher für den Geist der realen Welt ebenso wie für die vielen Welten der Phantasie. Sie tradieren die menschliche Kreativität umfassend, in all ihrer Vielfalt und Schönheit, in ihrer Verkommenheit und Grausamkeit, in ihrem Licht und in ihrer Finsternis. – Jeder, der will, aber kann sich dieser Wunder Buch und Bibliothek bedienen und an ihnen teilhaben.“
Friedhilde Krause

Talleyrand-Sammlung in Dresden. Bereits 2002 überschrieb der Münchner Sammler Eberhard Ernst seine Sammlung aus Büchern, Stichen und Handschriften zum französischen Staatsmann Charles Maurice de Talleyrand (1754-1838) der Sächsischen Landesbibliothek Dresden (SLUB). Anläßlich des Jubiläums 200 Jahre Erhebung Sachsens zum Königreich wurden 2006 erstmals einzelne Stücke der Sammlung im Buchmuseum präsentiert. Talleyrand hatte maßgeblichen Anteil an den Ereignissen von 1806. In Dresden erklärte er auch Kaiser Napoleon am 10. August 1807 seinen Rücktritt als Außenminister. Nun wurde im Juni 2008 ein für die Sammlung vorgesehener Raum der SLUB mit der Kollektion ausgestattet, der den Namen „Talleyrand-Zimmer“ trägt. Die Sammlung besteht aus über 2000 Büchern, 35 Boîtes (großformatigen Kassetten für Stiche, Karten und Karikaturen) und 400 Autographen Talleyrands. Sie dokumentiert umfassend Leben und Wirken des „ersten Diplomaten des Jahrhunderts“, wie Goethe ihn nannte.
Konstantin Hermann

Das Informationsblatt der SLUB Dresden. 1987 erschien das erste Heft des Informationsblattes der damaligen Sächsischen Landesbibliothek Dresden, zuletzt mit dem Titel SLUB-Kurier. Seitdem wurden Bibliothekare und Bücherfreunde über die Entwicklung der heutigen Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, ihre Bereiche, ihre Bestände und ihre vielseitigen Aktivitäten kontinuierlich informiert. Von 1987 bis 2007 sind 1312 Seiten gedruckt worden. Aus diesen habe auch ich Informationen entnommen und für die Leser unserer Zeitschrift aufbereitet, so über die Geschichte dieser Bibliothek (siehe MARGINALIEN, H. 186, 2007). Trotz des großen Erfolgs wird das Blatt in der jetzigen Form eingestellt, um dem Bibliotheksmagazin Bibliotheken in Sachsen für ganz Sachsen Platz zu machen. Dafür gibt es viele Gründe: Das Internet hat inzwischen an Qualität, Verbreitung und Akzeptanz gewonnen, so daß viele Informationen in elektronischer Form veröffentlicht werden und so schneller bei den Bücherfreunden ankommen. Die Kooperation zwischen den Bibliotheken ist weiter gewachsen und erlaubt in einem neuen Bibliotheksmagazin einen Blick über institutionelle, lokale und regionale Grenzen. Auch die Kosten für eine Zeitschrift steigen, und so wird ein gemeinsam finanziertes Journal insgesamt preiswerter. Den Herausgebern gutes Gelingen!
Dieter Schmidmaier

Die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Text und Bild. Anzuzeigen ist ein wunderschöner, stimmungsvoller Bildband mit hochwertigen Farbfotos, der uns tief in die Welt des 18. Jahrhunderts führt: Brigitte Klosterberg: Die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen. Fotografien von Klaus E. Göltz. Halle: Verlag der Franckeschen Stiftungen, 2007. 115 S. 24,5 x 32 cm. Pp. 32 Euro. ISBN 978-3-931479-99-2. Die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle wurde 1698 gegründet und erhielt 1728, ein Jahr nach Franckes Tod, ein eigenes Gebäude, das heute der älteste erhaltene profane Bibliothekszweckbau in Deutschland ist. 1996 bis 1998 wurde das Bauwerk restauriert und die sogenannte Kulissenbibliothek, der original erhaltene Bibliothekssaal aus dem 18. Jahrhundert, wieder in alter Schönheit hergestellt. Die Bibliothek ist eine von drei bedeutenden kulturhistorischen Sammlungen in Stiftungseigentum neben dem Archiv und der Kunst- und Naturalienkammer. Brigitte Klosterberg, die Leiterin der Bibliothek seit elf Jahren, hat den Text verfaßt, die Fotografien stammen von Klaus E. Göltz. Durch die zahlreichen Anmerkungen und das Personenregister erhält der Band wissenschaftliches Gepräge. Das Buch ist gegliedert in die Teile Die Geschichte der Bibliothek, Der Bibliotheksbau, Die Menschen in der Bibliothek und Die Bücherschätze. Als die Franckeschen Stiftungen 1992 ihre Rechtspersönlichkeit wiedererlangten, nahm die Arbeit der Bibliothek einen großen Aufschwung. Prof. Dr. Paul Raabe (geb. 1927) hatte den Vorsitz der Stiftungen übernommen und leitete bis 1996 auch noch die Bibliothek. In jüngerer Zeit ist der engagierte Bibliothekar hervorgetreten als Mitverfasser des Gutachtens über die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz.
Die Bibliothek entwickelte sich nach ihrer Gründung rasch durch die Schenkung größerer Privatbibliotheken, so von Carl Hildebrand von Canstein, der die später nach ihm benannte Bibelanstalt auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen schuf. Dazwischen gab es auch wieder Zeiten der Stagnation und neue Aufschwünge. Umfangreiche Kataloge wurden angelegt, viele der älteren Bücher waren in Halle nur hier vorhanden. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Bücher ausgelagert, es gab keine Verluste. Einige Gebäudeteile wurden nach dem Krieg anderweitig genutzt, erst durch die Restaurierung bekam alles wieder seinen alten Zuschnitt.
Zu den Menschen in der Bibliothek gehört auch ein reuiger Bücherdieb, ein seltener Fall, an heutigen Maßstäben gemessen. Zu den Bücherschätzen zählen neben vielen Bibeln und theologischen Büchern sowie den Veröffentlichungen der Buchhandlung des Waisenhauses auch Inkunabeln, Handschriften, Karten und Bildnisse, Werke in slawischen Sprachen und vieles andere. Der alte Büchersaal mit den Holzregalen und den knarrenden Dielen bietet sich je nach Tageszeit und Lichteinfall immer wieder neu dem Betrachter dar, ein stimmungsvoller Ort aus einem vergangenen Jahrhundert.
Michael Schädlich

Frühmoderne Bücherwelten. Anläßlich der Jahresausstellung 2007 der Franckeschen Stiftungen entstand ein weiteres Buch, das sich mit ihrer Bibliothek beschäftigt: Frühmoderne Bücherwelten. Die Bibliothek des 18. Jahrhunderts und das hallesche Waisenhaus. Hrsg. von Bodo-Michael Baumunk. Halle: Verlag der Franckeschen Stiftungen, 2007. 223 S., mit zahlr. Abb. Pp. Gr.-8°. Euro 24. ISBN 978-3-931479-95-4. Ausgehend von dem längst nicht allgemein bekannten Bau beschäftigen sich Ausstellung und Katalog mit den Veränderungen, die mit der Entwicklung und Gestaltung eines solchen Gebäudes einhergehen und stellen ihre Erkenntnisse in den Kontext der europäischen Bibliotheksentwicklung. Von besonderem Reiz sind die Beiträge führender deutscher Buch- und Bibliothekswissenschaftler zu einzelnen Themen wie der Faszination der Büchersammlungen, den Bibliotheksbauten, den Ordnungen der Bücher in den Bibliotheken, der Herausbildung des Berufsstandes Bibliothekar, dem Lesen als Luxus und Modeerscheinung sowie der klösterlichen Wissenschaftspflege und der Säkularisation. Diese Beiträge bilden den Rahmen für die Anordnung der 300 Exponate in verschiedenen Gruppen. Überraschungen werden vielfach geboten. Schon das Thema „Moderne Bücherwelten“ ist in seiner Umsetzung eine große Überraschung. Die Einheit von Büchersammlung und Kunst-, Münz- und Naturalienkabinetten löste sich zur Zeit der Bibliotheksgründung auf, die Büchersammlungen wuchsen und verlangten nach artgerechter Aufstellung, regelmäßiger Erwerbung und besserer Erschließung. Der Begriff Bibliothek bekam nach und nach den heutigen Sinn. Erstaunen lassen auch die Bücherbestände dieser Hallenser pietistischen Bibliothek mit einem weiten Horizont historischer, philosophischer und naturkundlicher Titel, die graphischen Blätter aus der Geschichte der architektonischen Planung sowie die Präsentation von Leben und Werk fürstlicher Bücherliebhaber, Sammler und Bibliothekare. Der großartige Katalog vermittelt mit seinen Texten und Abbildungen einen authentischen Eindruck von der Aufbruchstimmung der Bibliotheken, die Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzte und bis 1830 zur modernen Großbibliothek führte. Für den allgemeinen Betrachter ist der Katalog ein Aufruf, historische Bibliotheken als schützenswertes Kulturgut zu sehen. Für Bücherfreunde vermittelt er wunderbar die Faszination historischer Sammlungen. Für Geisteswissenschaftler und Studenten geisteswissenschaftlicher Disziplinen ist er, insbesondere durch die exzellenten Essays, eine sehr gute Handreichung.
Dieter Schmidmaier

Gedenkschrift für den Autor, Galeristen und Antiquar Horst Brandstätter. Die literarische Gesellschaft Forum Allmende e.V. veranstaltete im Hermann-Hesse-Höri-Museum eine Ausstellung zu Leben und Wirken des 2006 im Alter von nur 56 Jahren verstorbenen „Anregers, Kämpfers, Wegbereiters“ Horst Brandstätter. Der kleine, reich bebilderte Katalog (Gutach: Drey-Verlag, 5 Euro, ISBN 978-3-933765-35-2) zeugt von einem engagierten Leben, das der Kunst und dem Buch gehörte und doch immer auch die Gesellschaft und ihre Umgestaltung im Geiste von 68 im Blick hatte. Nach dem Besuch des Gymnasiums im heimatlichen Stuttgart bildete er sich zum Buchhändler heran, studierte in Ulm und Stuttgart Bibliothekswissenschaft, um sich dann in verschiedenen Tätigkeiten an die Aufgabe seines Lebens heranzutasten. War Redakteur bei der Fachzeitschrift Buch und Bibliothek, Dramaturg am Staatstheater Stuttgart unter Claus Peymann, schrieb laufend für Tageszeitungen, Zeitschriften und den Rundfunk, neben publizistischen Texten auch literarische Features und Bücher wie Asperg – Ein deutsches Gefängnis (1978), für das er den Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen erhielt. Im Erscheinungsjahr dieses Buches gründete er in Marbach am Neckar das erste Mal zusammen mit seiner Frau Ulrike ein Buchantiquariat und eine Kunstgalerie, um schon 1982 wieder aufzugeben und nach Öhningen am Bodensee umzuziehen und dort erst freischaffend zu leben, ehe er 1993 in Räumen des Klosters Öhningen erneut Galerie und Antiquariat einrichtete. Dort machte er sich bald mit Ausstellungen zeitgenössischer Künstler wie Johannes Grützke, Jan Peter Tripp, Alissa Walser und den „Rixdorfern“ Uwe Bremer, Albert Schindehütte, Johannes Vennekamp und Arno Waldschmidt bekannt, ebenso mit Auftritten auf Antiquariatsmessen in Ludwigsburg, Stuttgart und Zürich. Ein Neuanfang 2004 in Baden-Baden war schon bald von schwerer Krankheit überschattet. Im Ausstellungskatalog, von Jochen Greven umsichtig zusammengestellt und von Friedrich Pfäfflin vornehm gestaltet, werden nicht nur die Wegstationen in Wort und Bild dokumentiert, sondern vor allem die Nachrufe von prominenten Weggefährten und Kunstfreunden dokumentiert. Hans Magnus Enzensberger, Otto Jägersberg, Martin Walser, Peter O. Chotjewitz, Jan Peter Tripp, Johannes Grützke, Arno Waldschmidt und andere bezeugen Brandstätters Engagement, die Beharrlichkeit und das Geschick bei der Verfolgung seiner Pläne. Die Überredungskunst bezeugt am besten Anton Hunger, Vorstandsmitglied eines „kleinen autonomen Sportwagenherstellers“ in Zuffenhausen. Ihm hat er mit Telefonaten so lange zugesetzt, bis sich Porsche zur Herausgabe von bibliophilen Büchern entschloß und gar die von dem Stuttgarter Antiquar Herbert Blank zusammengestellte fiktive Bibliothek Franz Kafkas kaufte, um sie der Internationalen Kafka-Gesellschaft in Prag zu spenden. Nach diesem Bekenntnis wird das Urteil von Enzensberger über den sympathischen „Eigenbrödler“ verständlich: „Ich sehe keinen auf weiter Flur, der ihm gleichkäme.“
C. W.