Redaktionsschluss 5. Oktober 2010

Ehrung für Günther Stiller
Paul Rosié 100 Jahre
Klaus Wagenbachs Erinnerungen
20 Jahre Andante Handpresse Berlin
175 Jahre Museumsgesellschaft Zürich
Stroemfeld zum 40. in der Nationalbibliothek
Festschrift des Deutschen Buch- und Schriftmuseums
Deutschsprachige Buchkultur der 1950er Jahre
Neue schöne Kinderbücher
bella figura. Italienische Buchmalerei
Mit Michael Erbe in der Unterwelt
Lexikon deutsch-jüdischer Autoren
Jimmy Ernst, der Schriftkünstler
Bibliothek von Hanno Beck
John Heartfield Haus Waldsieversdorf.
Archiv des Wissenschaftsverlags Mohr Siebeck
Archiv der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration
Mainzer Stadtdrucker: Philipp Hennevogl
Die Sammlung Levy & Müller von Ralf Schulze
 

 

 

 

 

 

 

 

Ehrung für Günther Stiller, einen Großmeister der Graphik. Durch seine Illustrationen in mehr als hundert Büchern kennt und schätzt man Günther Stiller seit Jahrzehnten. Seine Buchgraphik in Erwachsenen- und Kinderliteratur machen den jetzt 83jährigen zu einem der bedeutenden Meister dieses Genres. Im August verlieh der Rheingau-Taunus-Kreis den mit 3000 Euro dotierten Kultur-preis der Sparte Bildende Kunst mit großer Zustimmung aller Verantwortlichen an Günther Stiller und ehrte damit das Lebenswerk des Künstlers.
Stiller illustrierte unter anderem Werke von Brecht, Tucholsky und Rimbaud. Er gestaltete aber auch eigene Bücher. Auftraggeber waren die Verlage Beltz, Büchergilde Gutenberg, S. Fischer, Rowohlt und Schott. Die humorvolle Laudatio hielt Stillers Schwiegersohn, Stefan Biedermann, Vizegeneralkonsul in Japan. Er würdigte das „unendlich reiche Werk voller Saftigkeit, Vitalität und Witz“ des gebürtigen Hamburgers, Sohnes eines Schriftsetzers. Mit einigem Recht sprach Bieder-mann vom Aussterben der Illustrationskunst. Landrat Burkhard Albers belegte die Bedeutung des Geehrten und das hohe Ansehen bei den Autoren mit Zitaten wie von Peter Härtling: „Der Stiller ist kein Stiller.“ Andere sprechen von der „eigensinnigen Kunst“ Stillers, die sie als „kraftvoll und dabei zärtlich und einfühlsam, humorvoll, poetisch, manchmal ganz zart erotisch und auch angriffs-lustig“ bezeichnen.
Günther Stiller zog 1951 nach Wiesbaden und 1964 nach Watzhahn im Taunus. Dort baute er eine Scheune zum Familiendomizil und zur Druckwerkstatt um. Von hier aus gründete er dann 1974 mit seiner Frau Renate „MachArt“, Taunussteins wichtigste Kulturinstitution. – Günther Stil-ler bedankte sich für die Ehrung, die ihn überrascht habe, und riet allen dazu, das zu tun, was ihn bis heute antreibe: „Sich ein Bild machen!“
Ferdinand Puhe

Paul Rosié 100 Jahre. Vor zwei Jahren hatte der Verein „Helle Panke“ in Berlin-Pankow / Prenz-lauer Berg mit einer Ausstellung an den 100. Geburtstag von Herbert Sandberg erinnert; nun folgte eine weitere zum 100. Geburtstag seines Kollegen, des Berliner Zeichners, Graphikers und Hoch-schullehrers Paul Rosié (23. 10. 1910 - 1. 11. 1984). Zur Vernissage versammelte sich eine große Zahl von Kunstfreunden, ehemaligen Schülern und Fachkollegen wie Harald Kretzschmar oder Ronald Paris. Ein Dokumentarfilm über sein Leben und Schaffen, vom Jubilar selbst geschrieben, gesprochen und dargestellt, eröffnete den Abend, dem der Satiriker Lothar Kusche, Rosié seit den Jahren beim Ulenspiegel um 1948 freundschaftlich verbunden, sehr heitere Erinnerungen an das Boheme-Leben der Nachkriegsjahre folgen ließ. In den drei Räumen der Ausstellung waren Proben aus verschiedenen Schaffensbereichen Rosiés zu sehen, die Originale von satirischen Zeichnungen für Zeitschriften und zu seinem Buch Geprügelte Worte, Buchillustrationen etwa zu Heinrich Manns Professor Unrat oder Thomas Manns Buddenbrooks sowie zu Saltykow-Schtschedrin und Eça de Queiroz. (Siehe dazu die Würdigung mit Bibliographie von Alice Hartmann in MARGINA-LIEN, H. 138, 1995). Aus seinem umfangreichen gebrauchsgraphischen Schaffen wurden Beispiele von Schutzumschlägen, Filmplakaten und reizvollen Briefmarken gezeigt.
Konrad Hawlitzki

Klaus Wagenbachs Erinnerungen, Festreden und Seitenhiebe zum 80. Klaus Wagenbach, 1964 Gründer des gleichnamigen Verlags, beschenkt uns zu seinem 80. Geburtstag mit einer Art Fest-schrift: Die Freiheit des Verlegers. Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe. (Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 2010. 348 S. Pp. 8° ISBN 978-3-8031-3632-9). Schon anläßlich früherer Verlagsjubi-läen hat Wagenbach uns als Herausgeber und Autor mit interessanten Rückblenden und Aussichten überrascht, so mit Fintentisch. Ein Almanach zum 20jährigen Bestehen, Das schwarze Brett. Ein Lesebuch zum 25jährigen und Wieso Bücher? Almanach zum 30jährigen, Karnickel. Karnickel anläßlich des 100. Bandes der Taschenbücherei sowie zum 40jährigen Warum so verlegen? (vgl. MARGINALIEN, H. 177, 2005, S. 103-104). Was ist da noch ungesagt oder wieder lesenswert? Eine ganze Menge. Da sind die für diesen Band geschriebenen wunderbaren Geschichten über die Fami-lie, aus den Lehrjahren und aus der Nachkriegszeit (Woran ich mich erinnere und Hundsaugen, das Dorf des Urgroßvaters, Großvaters und Vaters), die Miszellen zur Geschichte Deutschlands (Deut-sche Verhältnisse), die Wanderjahre in Italien (Luftig, Schuftig), die Beiträge für Freunde, Wegge-fährten und Vorbilder zu den verschiedensten Anlässen wie für Erich Fried, Günter Grass, Stephan Hermlin und Kurt Wolff (Autoren, Freunde, Nickel) und die verlegerischen und buchhändlerischen Essays (Werthe Collegae). Das Ganze ist garniert mit einem Epilog (Ausschleichen), verschiedenen Anmerkungen, einer kurzgefaßten Biographie und einer Auswahlbibliographie seiner Werke. Der Verfasser einer bis heute unübertroffenen Biographie der Jugend Franz Kafkas, überhaupt immer wieder Kafka im Verlagsprogramm, der Verleger von Erich Fried, der Entdecker vieler italieni-scher Schriftsteller und Dichter, „einer der letzten Verleger aus einer Generation von unabhängigen Verlegern; ein linker, aber undogmatischer Kopf“ präsentiert uns mit diesem Band die wichtigsten Texte aus fünf Jahrzehnten. Wir nehmen sie dankend und gratulierend an. Was fehlt? Zwei Dinge, die aber in großartigen Interviews behandelt werden: Die Frauen in seinem Leben (siehe Tages-spiegel vom 15. 6. 2010, S. 26) und Literatur und linke Politik aus heutiger Sicht (siehe Spiegel 26/2010, S. 109-113).
Dieter Schmidmaier

20 Jahre Andante Handpresse Berlin. Aus Anlaß des zwanzigjährigen Bestehens der Andante Handpresse von Peter Rensch zeigte die Büchergilde Frankfurt/Main eine Auswahl der seit 1990 entstandenen Bücher und Einzelgraphiken. Peter Rensch hatte gemeinsam mit seiner Frau Inga die Presse in Berlin-Schöneberg gegründet. Die hochbegabte Künstlerin starb nach längerer Krankheit im April im Alter von 44 Jahren. Inga Rensch war von 1998 bis 2003 Leiterin des Künstlerhauses Ahrenshoop, 2004 gründete sie die Galerie charlier in Berlin.
Der 1956 in Berlin geborene Peter Rensch absolvierte zunächst eine Schriftsetzerlehre und stu-dierte von 1978 bis 1981 Typographie an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin. Ab 1983 arbeitete Rensch als freischaffender Künstler und Typograph. Nach einem vergeblichen Ausreiseantrag aus der DDR wurde ihm seitens der Behörden ein Mal- und Ausstellungsverbot auferlegt. 1987 übersiedelte Rensch dann nach Westberlin und arbeitete zunächst für die Edition Handpresse Gutsch. Ab 1988 entstanden eigene Bücher als Handpressendrucke, die ab 1990 dann unter dem Namen Andante Handpresse herausgegeben wurden. 1995 erhielt der Künstler ein Sti-pendium der Stiftung des Kulturfonds im Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop. 2005 wurde Rensch als Dozent an die renommierte OSTKREUZ-Schule für Fotografie berufen. Seit 2007 betreibt Rensch in Berlin-Friedrichshagen eine Werkstattgalerie, in der Druckdemonstrationen, Ausstellungen und Lesungen stattfinden. Für Schüler des benachbarten Gymnasiums führt der Künstler Holzschnitt-Kurse durch, eine echte Nachwuchsförderung. Die hohe Qualität seiner Druckerzeugnisse führten Peter Rensch auch Auftraggeber aus dem Kreis der Kleinverlage zu.
Zum Jubiläum legt Peter Rensch einen Katalog vor, der 54 von ihm originalgraphisch illust-rierte Bücher aufweist, darunter Werke von Else Lasker-Schüler, Theodor Storm, Novalis, Joachim Ringelnatz, Georg Heym, Leonardo da Vinci und Hugo Ball. Die im Handsatz erstellten Texte wurden von Rensch mit kongenialen Zeichnungen, Graphiken, Aquarellen und Druckcollagen ver-sehen und im Buchdruck hergestellt. Schön und zugleich erschwinglich ist die Reihe Kapitälchen, die in einer Auflagenhöhe von 100 Exemplaren seit einigen Jahren erscheint. Die Heftchen enthal-ten auch Graphiken anderer Künstler. Entsprechend seiner Vorliebe für expressionistische Literatur ist auch der künstlerische Stil von Peter Rensch expressiv mit schnellem lockerem Strich. Zur Ü-bertragung seiner Zeichnungen in eine Druckvorlage hat Rensch eine eigene Technik entwickelt: Mit der Radiernadel ritzt der Künstler seine Figurinen auf einen Film, der dann mittels Belichtung auf eine Nyloprintplatte übertragen wird. So entsteht dann ein Hochdruck, ähnlich dem Holzschnitt.
Ferdinand Puhe

175 Jahre Museumsgesellschaft Zürich, 10 Jahre Literaturhaus Zürich. Lesegesellschaften gehörten im 19. Jahrhundert in vielen großen Städten Europas zum festen Bestandteil des literari-schen Lebens. Sie entstanden vor allem als Antwort auf den wachsenden Markt an Zeitungen und Zeitschriften. Neue Leserschichten suchten Bildung, Information und Unterhaltung, die sie in den kommerziellen Leihbibliotheken und verzopften Stadtbibliotheken nicht erlangen konnten. Die „Museumsgesellschaft Zürich“ entstand aus dem Zusammenschluß zweier bestehender Lesegesell-schaften und verstand sich im alten Sinne des Wortes Museum als „Studierzimmer“ für alle gebil-deten Stände Zürichs. Sie wurde 1835 gegründet, als die Schweiz eine liberale Umgestaltung gro-ßen Umfangs durchmachte, und war selbst für Zürich ein Meilenstein in diesem Reformprozeß. Zu ihren Großtaten gehörte die Einrichtung der ersten öffentlichen Lesesäle der Stadt, die sogleich lebhaften Zuspruch fanden. Hier konnten neben deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften auch die führenden Blätter aus vielen anderen europäischen Ländern gelesen werden. Die anderen Züricher Bibliotheken stellten ihre Blätter leihweise zur Verfügung, weil sie selbst nicht über beheizbare und gut beleuchtete Lesesäle verfügten. Im Museum konnten die Mitglieder praktisch die ganze Woche, auch an den Abenden und am Sonntag, lesen. Bald wurde eine Bibliothek angegliedert, die namentlich großen Wert auf einen aktuellen Belletristikbestand legte, auch ein Novum, mit dem das Institut lange Zeit konkurrenzlos dastand.
Zu den Mitgliedern gehörten im 19. Jahrhundert praktisch alle führenden Köpfe in Wirtschaft, Politik und Kultur der Stadt. In den Verzeichnissen der Mitglieder und Gäste finden sich so promi-nente Namen wie Georg Büchner, Alfred Einstein, Georg Herwegh, Gottfried Keller, Lenin, Theo-dor Mommsen, Friedrich Nietzsche, Charles Sealsfield und Leo Trotzki. Die Verankerung der Mu-seumsgesellschaft in der Bürgerschaft Zürichs erlaubte es ihr, nach Jahren der Miete in fremdem Haus 1866 bis 68 an den Bau eines eigenen Bibliotheksgebäudes am Limmatquai 62 im Herzen Zürichs zu gehen. Die Finanzierung, vom Grundstückserwerb über den Bau und die Möblierung bis hin zum laufenden Etat, lag ausschließlich in der Hand der Mitglieder, die so weitsichtig investier-ten, daß die Bibliothek im Parterre Läden einrichten konnte. Die Einnahmen aus deren Vermietung decken heute weitgehend ihren Etat und haben letztlich das Überleben der Einrichtung inmitten von inzwischen gut funktionierenden Großbibliotheken ermöglicht. Seit zehn Jahren hat die Museums-gesellschaft zusätzlich ein Literaturhaus angegliedert, in dem jährlich rund 100 Lesungen und ande-re Veranstaltungen stattfinden. Das alles kann man genauer nachlesen in einer gut recherchierten, profunden und unterhaltsam geschriebenen Festschrift: Thomas Ehrsam: Silentium! Lesen und lite-rarisches Leben in Zürich: Museumsgesellschaft und Literatur. Vorwort v. Ulrich Pfister, Beiträge von Richard Reich und Beatrice Stoll. Zürich: Limmat, 2009. 206 S., 44 Abb. 8°. Pp. 22,80 Euro. ISBN 978-3-85791-588-8.
C. W.

Stroemfeld zum 40. in der Nationalbibliothek. In diesem Jahr feiert der Stroemfeld Verlag (vor-mals Verlag Roter Stern), Frankfurt am Main, sein vierzigjähriges Bestehen. Jürgen Engler schil-derte die bewegte Geschichte des renommierten Verlages im 198. Heft der MARGINALIEN (S. 48-53). In großartiger Weise präsentierte der Verleger KD Wolff den interessierten Lesern und Samm-lern in einer Ausstellung in der Nationalbibliothek Frankfurt/Main die Glanzlichter seiner Tätigkeit – und (fast) alle Bücher der vergangenen Jahrzehnte waren solche. Die Eröffnungsveranstaltung war zugleich der festliche Höhepunkt des Jubeljahres. Zahlreiche Vertreter des öffentlichen und literarischen Lebens nahmen im vollbesetzten Vortragssaal der Nationalbibliothek teil und lausch-ten den teils fachlichen, teils amüsanten Lobreden auf KD Wolff und seine Mitarbeiter. Die Ent-wicklungsgeschichte des Verlags vom „Roten Stern“ eines linken Flaggschiffs zum seriösen Verlag mit anspruchsvollem Programm und die eckige Persönlichkeit des tatkräftigen Verlegers boten vie-le Möglichkeiten für spitze, aber wohlgemeinte Anmerkungen. Sehr lobend äußerte sich Prof. Dr. Karl Pestalozzi, der Präsident der Stiftung für eine Historisch-Kritische Gottfried-Keller-Ausgabe über die Zusammenarbeit mit KD Wolff und dessen Einsatz auch für die Robert-Walser-Ausgabe.
Die Ausstellung selbst bestach einerseits durch die Reichhaltigkeit und andererseits durch die benutzerfreundliche Präsentation. Fast alle Titel waren wie in einer Handbibliothek auf offenen Regalen ausgestellt, so daß der Interessierte in den Büchern nach Lust und Laune schmökern konn-te. Es darf dem Verlag bescheinigt werden, daß den Büchern in ihrer Gesamtgestaltung und ihrer handwerklichen Verarbeitung ein hoher bibliophiler Rang zusteht. Vor allem die textkritischen Ge-samtausgaben zu Friedrich Hölderlin, Franz Kafka, Gottfried Keller, Heinrich v. Kleist, Gustav Regler, Georg Trakl und Robert Walser zeichnen sich durch die faksimilierte Wiedergabe von Handschriften der Dichter, meist in Originalgröße, aus. Zahlreiche Schriftproben bietet das zur Ausstellung erschienene Katalogbuch Stroemfeld im 40. Jahr (ISBN 978-3-86600-057-5).
Ferdinand Puhe

Festschrift des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. Aus Anlaß seines 125. Geburtstags hat das Deutsche Buch- und Schriftmuseum in Leipzig die Bücherfreunde mit einem wahren Kompen-dium des Buches beschenkt: Zeichen, Bücher, Wissensnetze. 125 Jahre Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek. Hrsg. von Stephanie Jacobs. Göttingen: Wall-stein , 2009. 392 S., Gr.-8°. Pp. 19,90 Euro. ISBN 978-3-8353-0583-0. Die Autoren singen darin ein Loblied auf das Buch und werfen einen Blick auf die Historie des Buches sowie die Zukunft des heute vielfach in Frage gestellten Mediums. Die Art der Betrachtungen zum Buch- und Biblio-thekswesen ist höchst unterschiedlich, sie reicht vom Essay über die wissenschaftliche Untersu-chung bis hin zu Grußadressen und in einem Fall sogar zum Gedicht. Diese Vielgestaltigkeit ergibt sich aus der beruflich breit gefächerten Herkunft der Autoren. Sie reicht vom Schriftsteller Günter Kunert über den Erzähler und Medienwissenschaftler Umberto Eco, den Comic-Zeichner Volker Reiche, den Kulturpolitiker Hans Joachim Otto MdB, den Historiker Ulrich Raulff, den Buchwis-senschaftler Reinhard Wittmann, den Bibliothekar Lothar Poethe, den Antiquar Wilhelm Hohmann und den Verleger Elmar Faber bis zu den Buchgestaltern Axel Bertram und Uta Schneider. Und damit ist nur eine kleine Auswahl der illustren Zahl der Autoren genannt, die erzählen, wie sie zum Buch fanden, das Buchmuseum erlebten oder was sie am Buch fasziniert. Die Vielgestaltigkeit des Herangehens an das Thema macht den Reiz des Buches aus. Allen gemeinsam sind die Überzeu-gung vom Wert des Buches und der Glaube an seine Zukunft in Zeiten digitaler Kommunikation und papierloser Bewahrung.
Die Gestaltung des fadengeheften und ordentlich gebundenen Buches wird dem Anspruch ei-ner Festschrift eines Buchmuseums durchaus gerecht. Angenehme Pausen beim Studium des Bu-ches findet der Leser durch umfangreiche Farbtafeln mit Darstellungen interessanter Exponate aus den Sammlungen des Museums, die zusätzlich zu den Abbildungen im Text zwischen den Artikeln eingebunden sind. Etwas problematisch ist die experimentelle Gestaltung des Satzspiegels: Die Beiträge sind im Flattersatz rechtsbündig gestaltet, die Seitenzahlen stehen oben, das Schriftbild ist weit nach unten auf der Seite gestellt und die Angaben zum Seiteninhalt befinden sich am Fuß. So hat man beim Aufschlagen des Buches immer den Eindruck, das Buch verkehrtherum zu halten.
Abel Doering

Deutschsprachige Buchkultur der 1950er Jahre. Die Nachkriegszeit war durch eine Aufbruchstimmung auf allen Gebieten der Kultur charakterisiert. Während dies für Theater, Film, bildende Kunst, Architektur und Musik vielfach beschrieben wurde, fehlten bisher solche Untersuchungen zur fiktionalen Literatur als einem wichtigen Gebiet der Buchkultur. Mehr noch: Die Literaturge-schichtsschreibung hat eine Heterogenität weitgehend ausgeblendet, weil sich ihre Verfasser auf einen engen Kanon literarischer Neuerscheinungen konzentrierten. Dieser Zustand wurde in den später erscheinenden Literaturgeschichten meist fortgeschrieben. In einer jetzt erschienenen Veröf-fentlichung von Günter Häntzschel, Adrian Hummel, Jörg Zedler, Deutschsprachige Buchkultur der 1950er Jahre. Fiktionale Literatur in Quellen, Analysen und Interpretationen (Buchwissen-schaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv 76. Mit einer Quellendatenbank auf CD-Rom. Wiesbaden: Harrassowitz, 2009. 290 S. 8°. Pp. 59 Euro. ISBN 978-3-447405656-4), soll die Lite-ratur der 1950er Jahre in ihrer ganzen Vielfalt unverfälscht und ohne wertende Auswahl dargestellt werden. Damit wird dem Bücherfreund eine wichtige Hilfe in die Hand gegeben. Die Autoren wählten für ihr Vorhaben die Stichjahre 1950, 1955 und 1960 aus und untersuchen die in diesen Jahren erschienene fiktionale Literatur einschließlich der wiederaufgelegten Texte und der Überset-zungen nach den Angaben der deutschen Nationalbibliographie, ergänzen dies um die in den Ta-ges- und Wochenzeitungen und literarischen Zeitschriften erschienenen Rezensionen sowie bio-bibliographische Informationen zu den Autoren. Sie untersuchen akribisch den Produktionsaspekt an den Fallbeispielen Hans Fallada und Gertrud von Le Fort, den Distributionsaspekt an dem Fall-beispiel Anthologien in der DDR und in der Bundesrepublik sowie den Rezeptionsaspekt. Allein der letzte Aspekt birgt zahlreiche Überraschungen: Von den Rezensenten am stärksten beachtet wurden Hermann Kesten, Reinhold Schneider und Kasimir Edschmid, viel weniger die Autoren der „Gruppe 47“, stark beachtet wurden auch die heute vergessenen Werner Helwig, Wilhelm Pleyer und Jochen Thiem, viel Reputation zuteil wurde auch der dem Nationalsozialismus huldigenden Ina Seidel und der vom Nationalsozialismus verfolgten Geno Hartlaub … Die Veröffentlichung ist also für den Bücherfreund eine gute Basis zur Einschätzung der deutschsprachigen Literatur der 1950er Jahre.
Dieter Schmidmaier

Neue schöne Kinderbücher. Die Fülle an Neuerscheinungen auf dem Markt der Kinderbücher überrascht immer wieder aufs Neue. Es ist allerdings schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Allzu viele Bücher für Kinder und Jugendliche lassen eine an bibliophilen Grundsätzen ausgerich-tete Ausstattung vermissen. Doch nimmt die Zahl der guten Bücher, bei denen der wertvolle Inhalt mit einer ansprechenden Gestaltung einhergeht, erfreulicherweise zu. So kamen auch in den ver-gangenen Monaten Kinderbücher in den Buchhandel, die den Kriterien eines schönen Kinderbu-ches entsprechen.
Da ist zunächst Kamel bleibt Kamel – Äsops Bilderbogen, neu erzählt und sensibel hinterfragt von Antonie Schneider und versehen mit phantasiereichen farbigen Bildern von Aljoscha Blau. Mit Recht bezeichnet der Verlag diesen Bilderbogen von Philosophie und Poesie in Tierverkleidung als ein Hausbuch für jedermann (Verlag Nilpferd in Residenz, St. Pölten, ISBN 978-3-7017-2056-9, 14,90 Euro). Ein weiteres Buch, das wegen seiner zeichnerischen Qualität und seines Erfindungs-reichtum auffällt, ist Johanna im Zug von Kathrin Schärer. Die Illustratorin zeichnet einen Zug und darin die Reisenden. Ein Schwein will wissen, wie es denn nun heißt. So entwickelt sich die Ge-schichte einer Zugreise voller Begegnungen und Überraschungen. Doch dann wünscht sich das Schwein, daß die Künstlerin zurückblättert in ihren Notizen. Daraus ergibt sich dann ein wunderba-res Hin und Her, eine Geschichte über ein aufsässiges, aber liebenswertes Schwein und über das Geschichtenerfinden. Wie das zuvor beschriebene Buch ist auch dieses für einen Erwachsenen reizvoll (atlantis im Orell Füssli Verlag, Zürich, ISBN 978-3-7152-0582-3, 13,90 Euro).
Aus dem letztgenannten Verlag stammt auch Oma, Emma, Mama, ein Ausschnitt aus der Kindheit eines Chamäleons in seinem Familienverbund. Das von Lorenz Pauli geschilderte und wiederum von Kathrin Schärer einfühlsam illustrierte Versteckspiel der Chamäleons im Busch regt die kindliche Phantasie der Altersgruppe 5-6 Jahre an. Die Kinder werden veranlaßt, sich mit den Chamäleon-Verwandten auf die Suche nach der kleinen Emma zu begeben, die sich farblich ja so gut ihrer Umgebung anpassen kann – ein Chamäleon eben (ISBN 978-3-7152-0607-3, 14,90 Euro).
Im 197. Heft der MARGINALIEN (S. 102-103) hatten wir ein in der Edition Raasch erschienenes Buch von Antje Wichtrey vorgestellt. Nun gibt die bohem press, Zürich, ein zauberhaftes Kinder-buch der Künstlerin – ihr erstes – unter dem Titel Peters Labyrinth heraus. In mancherlei Hinsicht ist dieses Kinderbuch so ganz anders, als man es gewohnt ist. Es entstand aus einem Künstlerbuch im gleichen Verlag. Durch seine malerischen, teils holzschnittartigen, mit vielen typographischen Elementen gespickte Gestaltung ist das Buch eine Augenweide für bibliophile Sammler (ISBN 978-3-85581-479-4, 14,95 Euro).
Ein fröhliches Wiederauferstehen feiert Wilhelm Buschs Hans Huckebein, der freche Rabe. Der Klassiker aus der Feder des großen Humoristen und Satirikers wird vom Illustrator Jonas Lau-ströer neu entdeckt. Die vielfarbigen malerischen und ausdruckstarken Impressionen lassen die tragisch endende Geschichte des bösartigen Vogels ganz neu miterleben. Das vom Raben Hans im Haushalt der Tante angerichtete Chaos erhält eine beeindruckende Plastizität, deren Faszination man sich nicht entziehen kann. So ist das Buch für Kinder im Schulalter und natürlich für Busch- wie auch für Graphikfreunde ein wundervolles Sammelobjekt (minedition in der Michael Neuge-bauer Edition, Bargteheide, ISBN978-3-86566-126-5, 14,95 Euro).
Ferdinand Puhe

bella figura. Italienische Buchmalerei in der Bayerischen Staatsbibliothek. Im Rahmen der Säkularisation kirchlicher Güter in Bayern 1802 und 1803 veränderten sich die Besitzverhältnisse von Handschriften wesentlich. Der Bayerischen Staatsbibliothek bescherte die Säkularisation um-fangreiche neue Bestände und leitete ihren Aufstieg zu einer der bedeutendsten wissenschaftlichen Bibliotheken in Europa ein. Dazu gehört auch ein Großteil der über 30 000 lateinischen mittelalter-lichen Handschriften. Davon sind etwa 500 mit italienischem Buchschmuck versehen, ein zwar kleiner, aber außerhalb Italiens bemerkenswert reicher Bestand. Der wissenschaftliche Katalog die-ses Bestandes wird in zwei Bänden erscheinen, der erste ist abgeschlossen und wird noch in diesem Jahr in Druck gehen. Aus diesem Anlaß und wegen der 2010 mit dem Thema „Bayern – Italien“ gestalteten großen Landesausstellung bot die Staatsbibliothek eine thematisch passende Ausstel-lung an. Auf der Basis des ersten Katalogbandes, der vom 10. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts reicht, bearbeitete Ulrike Bauer-Eberhardt die Ausstellung und erarbeitete den kleinen, feinen zwei-sprachigen Ausstellungskatalog: bella figura. Italienische Buchmalerei in der Bayerischen Staats-bibliothek. Le miniature italiane all Biblioteca Statale Bavarese. München: Bayerische Staatsbi-bliothek, 2010. 78 S. 4°. Pp. (Bayerische Staatsbibliothek. Schatzkammer, 2010.) 15 Euro. ISBN 978-3-88008-004-1.
Demonstriert wird darin auf eindrucksvolle Weise die Schönheit und die Aussagekraft der Handschriften. Der Katalog enthält je ein Vorwort des Generaldirektors der Staatsbibliothek, Rolf Griebel, und der Leiterin des Istituto Italiano di Cultura München, Giovanna Gruber, sowie eine Einführung in die italienisch ausgestatteten Handschriften der Bibliotheca Regia Monacensis von Ulrike Bauer-Eberhardt, die daran anschließend die 18 ausgestellten Exemplare beschreibt und durch Fotos illustriert. Der Katalog zeigt, daß die mittelalterliche Buchmalerei nicht nur eine rein sakrale Angelegenheit gewesen ist. Neben Bibeln, Gebetbüchern und anderen geistlichen Schriften finden sich auch profane Publikationen wie heilkundliche und juristische Schriften. So gibt es eine medizinische Sammelhandschrift, überwiegend auf die Chirurgie bezogenen Inhalts, aus dem 13. Jahrhundert, ein Decretum Gratiani, eine private Zusammenstellung des bis 1140 vorhandenen Rechtsmaterials aus Bologna um 1180/90 sowie aus einem im Original nicht erhaltenen dreiteiligen Werk über Astronomie und Astrologie von Michael Scotus das Liber Introductorius. Die Texte zu den Handschriften und die Abbildungen sind von ausgezeichneter Qualität. Der Katalog ist in Lay-out, Typographie und Druck ein kleines Schmuckstück.
Dieter Schmidmaier

Mit Michael Erbe in der Unterwelt. Wieder macht die von Pirckheimer-Mitglied Marita Hoff-mann geführte Llux Datenverarbeitung, Ludwigshafen am Rhein, mit einem bibliophil gestalteten Buch auf sich aufmerksam. Unterstützt von der regen „Initiative Buchkultur: Das Buch e. V.“ leitet der polnische Autor Michal Dziedzinski den geneigten Leser zu einem Besuch in der Unterwelt (118 S., 25,4 x 16 cm, Fadenheftung, ill. Hardcover, ISBN 978-3-938031-37-7). Michael Erbe, emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Universität Mannheim und Mitglied der Histo-rischen Kommission Berlin, hat das Buch aus dem Polnischen übersetzt und mit vielen „vom Ver-fasser autorisierten Ergänzungen“ versehen. Ingeborg Kempf, Mannheim, schuf dazu vierzehn kongeniale ganzseitige Illustrationen, die auf der linken Seite dem Text gegenüberstehen. Dieser ist breitrandig mit ausgewogenem Durchschuß sehr lesefreundlich in der Typographie von Hans-Joachim Kotarski, Ludwigshafen, angeordnet. Bild und Text ergeben so eine harmonische Gesamt-gestaltung. Angemessen dem Thema herrscht eine graue Tönung vor.
Die Schilderung des Ich-Erzählers führt uns auf dem Weg in die Unterwelt, den Hades, durch die Welt der griechischen und römischen Mythen von der Antike bis zur Renaissance. So erfährt auch der (noch) nicht humanistisch gebildete Leser die Wahrheit über Orpheus und Eurydike. Ü-berraschend die Erkenntnisse über den Tod Cäsars und wie und warum Kleopatra trotzdem weiter-lebte. Auch hatte man in der Schule nie gehört, warum drei Humanisten das Skatspiel erlernten. Diese und noch viele „historische Fakten“ erleben wir mit dem Autor auf diesem virtuellen Rund-gang durch die Tiefen der Unterwelt, bei dem sogar der Göttervater Zeus besucht wird, immer be-gleitet von den zarten, aber manchmal recht martialischen Bildern der Künstlerin Ingeborg Kempf.
Ferdinand Puhe

Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Das bio-bibliographische Lexikon deutsch-jüdischer Autoren wird seit 1992 im Archiv Bibliographia Judaica (Frankfurt/Main) erarbeitet, einer aus einer privaten Initiative hervorgegangenen Dokumentations- und Forschungseinrichtung. Nach 16 Bänden im Verlag K. G. Saur erschien jetzt Band 17 im Walter de Gruyter Verlag: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Redaktionelle Leitung: Renate Heuer. Unter Mitarbeit von Rashmi Arora, Rainer Brändle, Abdelhaq El Mesmoudi, Heather Valencia, Pamela Wolf. (Wissenschaftlicher Beirat: Friedrich Battenberg, Horst Denkler, Karl-Erich Grözinger u.a.). Band 17. Meid - Phil. Berlin: de Gruyter, 2009. 476 S. ISBN 978-3-598-22680-9 (Gesamtwerk), 978-3-598-22697-7 (Band 17). Das Lexikon erschließt den jüdischen Beitrag zur deutschsprachigen Kulturgeschichte, beginnend mit Moses Mendelssohn und endend mit der Vernichtung und Vertreibung der deutschen Juden wäh-rend der nationalsozialistischen Herrschaft. Neben den Autoren von Literatur im weitesten Sinn finden sich Vertreter der Geisteswissenschaften und weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Le-bens, wenn ihr Wirken über ihr Fachgebiet hinaus Einfluß auf die deutschsprachige Kulturgeschichte hatte.
Der biographische Teil der Artikel ist nach einem festen Schema gegliedert und macht Angaben zur Person und Familie, ferner zu Ausbildung, beruflichen und Lebensstationen. Er gibt, dem besonderen Ziel des Lexikons gemäß, Auskünfte zum politischen und zionistischen Engagement der Persönlichkeit, zu ihrem Freundeskreis sowie zur Stellung zum Judentum. Im bibliographischen Teil der Artikel werden die selbständig erschienenen Werke, die Mitarbeit an Zeitungen und Zeit-schriften sowie Einzelbeiträge in Auswahl aufgeführt. Dann folgen Angaben zum Nachlaß und/oder Autographen und die Sekundärliteratur. Die Werke werden – außer den üblichen Angaben – detailliert beschrieben: mit Annotationen zum Inhalt und Inhaltsangaben, Zitaten des Verfassers oder Auszügen aus Rezensionen. Es bietet also mehr als sonst in Bibliographien und Lexika üblich!
Im vorliegenden Band werden 61 Persönlichkeiten verzeichnet: unter anderem die Dichter und Schriftsteller Alfred Mombert, Erich Mühsam, Alfred und Robert Neumann und Leo Perutz, die Germanisten Werner Milch, Richard Moritz Meyer und Max Morris, die Kunsthistoriker Erwin Panofsky und Nikolaus Pevsner, der Philosoph Leonard Nelson, der Kulturhistoriker und Zionist Max Nordau, die Philanthropin und Frauenrechtlerin Lina Morgenstern, die Frauenrechtlerin und Pädagogin Bertha Pappenheim (Sigmund Freuds Patientin „Anna O.“) und die Familie Mendels-sohn (neben Moses noch weitere acht Familienangehörige).
Die Angaben des Lexikons sind mit großer Sorgfalt zusammengetragen, die bibliographischen Angaben beruhen – soweit überhaupt möglich – auf Autopsie. Es wird damit ein Nachschlagewerk von hoher Genauigkeit vorgelegt, das bei Recherchen zu den erfaßten Persönlichkeiten so gut wie keine Fragen offen läßt. Kurzum: ein Schatzhaus an Informationen. – Das Lexikon soll 20 Bände umfassen und in wenigen Jahren abgeschlossen vorliegen. Es ist nicht nur für Bibliographen und Bibliothekare, sondern auch für Wissenschaftler der verschiedensten Forschungsgebiete und Bü-chersammler ein wichtiges Hilfsmittel.
Harro Kieser

Jimmy Ernst, der Schriftkünstler. Unter dem Titel Zwiebelfische - Jimmy Ernst, Glückstadt – New York, herausgegeben von Christian Bau und Artur Dieckhoff, erscheint in der Edition Klaus Raasch ein Bericht über Leben und Werk von Jimmy Ernst, dem Sohn von Max Ernst. Das Buch mit Texten von Jürgen Bönig, Jimmy Ernst und Ulrich Krempel enthält zahlreiche Fotos von Can-dida Höfer, August Sander, Wols und aus dem Archiv der in der Fachwelt hoch angesehenen Dru-ckerei J. J. Augustin in Glückstadt. In dieser Druckerei absolvierte nämlich Jimmy Ernst eine Aus-bildung als Schriftsetzer. Die Firma Augustin war vor dem Krieg ein weltberühmtes Unternehmen für den Fremdsprachensatz. Der Begriff „Zwiebelfische“ ist vielen bekannt, sind es doch in der Druckersprache die Bleilettern, die in ein falsches Fach des Setzkastens geraten sind. So war auch der junge Ernst ein Zwiebelfisch, der im deutschen Setzkasten dank der Familie Augustin überle-ben und dann noch 1938 nach New York emigrieren konnte. Dort begründete er seine hohe Aner-kennung als Buchgestalter. Er schuf Kunstwerke, in denen Lettern als Zeichen magische Kraft ent-falten.
Dem Buch beigefügt ist eine zweisprachige DVD (deutsch/englisch). Auf ihr liest der Schau-spieler Burkhart Klaußner Textpassagen aus der Autobiographie von Jimmy Ernst, begleitet von einer von Ulrike Haage komponierten Filmmusik. Candida Höfers Fotografien aus der Druckerei Augustin illustrieren den Vortrag. Das Vorsatzpapier vorn und hinten ist mit Originalschriften von Augustin im klassischen Buchdruck bedruckt. Buch und DVD kosten 48 Euro und sind bei Edition Raasch, Meldorfer Str. 22, 20261 Hamburg, zu erhalten.
Ferdinand Puhe

Bibliothek von Hanno Beck. Die Geographische Zentralbibliothek im Leibniz-Institut für Länder-kunde Leipzig hat die Privatbibliothek des international renommierten Geographiehistorikers und Humboldt-Forschers Prof. Dr. Hanno Beck erworben. Der 1923 in Eschwege geborene Hanno Beck hatte von 1963 bis zu seiner Emeritierung 1988 eine Professur für Geschichte der Naturwis-senschaften an der Universität Bonn inne. Er gilt als Begründer der modernen Forschung über Ale-xander von Humboldt. Die von ihm herausgegebene Darmstädter Humboldt-Ausgabe und seien zweibändige Humboldt-Biographie sind Standardwerke. Seine Bibliothek umfasst 10.000 Bände zur Geschichte der Geographie und des Reisens, zur Kartographie und zur allgemeinen Wissen-schaftsgeschichte. Schwerpunkte sind die 1000 Bände zu Leben und Werk von Alexander von Humboldt und die Sammlungen zu bekannten Forschungsreisenden wie Emin Pascha (1840-1892), Wilhelm Ludwig von Eschwege (1777-1855) und Georg Forster (1754-1794).
Dieter Schmidmaier

John Heartfield Haus Waldsieversdorf. Nicht weit von Berlin liegt Waldsieversdorf inmitten der landschaftlich reizvollen Märkischen Schweiz. Hier pachteten 1957 John Heartfield und seine Frau das Grundstück Schwarzer Weg 12 am Großen Däbersee und errichteten ein kleines Sommerhaus. Die Anregung dazu kam von Brecht, nachdem Heartfield 1951 und 1952 zwei Herzinfarkte erlebt hatte und gesundheitlich angeschlagen war. Buckow mit Brechts Sommerdomizil liegt nicht weit entfernt. Heartfield besuchte den Freund am Schermützelsee und verbrachte bereits 1953 erstmals den Sommer in Waldsieversdorf. Weitere Aufenthalte in der Turmvilla folgten, bis sich das Ehe-paar zur Niederlassung im Dorf entschloß. Zu den gesundheitlichen Problemen hatte nicht zuletzt die Formalismusdebatte beigetragen, in der Heartfield und seine Kunst grundsätzlich in Frage ge-stellt worden waren. Die späte Rückkunft aus dem englischen Exil in die DDR 1950 war alles an-dere als glücklich verlaufen, die ersten Jahre in Leipzig bis zum Umzug nach Berlin 1956 hatten viele Enttäuschungen gebracht. Das Blockhaus unter Bäumen wurde für Heartfield zu dem erhoff-ten Refugium, wo er zu sich selbst fand und wieder Lust auf Buchgestaltungen gewann. Seine dritte Ehefrau Gertrud nutzte das Haus nach dem Tod ihres Mannes (1968) noch viele Jahre bis zu ihrem Lebensende 1982. Sein Bruder Wieland Herzfelde erinnerte sich: „Wann und wo man ihn traf, fast immer war er in Eile, in Aufregung, in Zeitnot. Ausgenommen die Sommertage, die er mit seiner Frau in dem Waldhäuschen verbrachte, wo er zwischen Bäumen, Blumen und seltenen Dingen ge-wissermaßen eine zweite, eine glücklichere Kindheit erlebte.“
Die Gemeinde Waldsieversdorf, der Freundeskreis John Heartfield und die Akademie der Künste haben in elfjähriger Zusammenarbeit das Haus schrittweise rekonstruiert und einer öffentli-chen Nutzung zugeführt. Im April 2010 wurde das Haus mit Mitteln des Europäischen Landwirt-schaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes saniert. Grundlage hierfür waren Fotos und Dokumente aus dem schriftlichen Nachlaß John Heartfields in der Akademie der Künste. Jetzt befindet sich im Haus ein kleines Museum teilweise mit Originalobjekten. Im Gemeindezentrum im WaldKAuTZ, Wilhelm-Pieck-Straße 23, wird ergänzend eine Dauerausstellung zu Leben und Werk John Heartfields gezeigt. Hinzu kommen wechselnde Ausstellungen, so 2010 eine Sonder-schau zu Heartfield im englischen Exil und eine Kunstausstellung mit Werken von Dieter Goltz-sche. Nach einer Winterpause wird das Haus wieder geöffnet. Weitere Informationen sind zu erhal-ten beim Freundeskreis John Heartfield Waldsieversdorf e. V., Dahmsdorfer Straße 18, 15377 Waldsieversdorf, und auf der Homepage www.johnheartfield-haus.de.
C. W.

Archiv des Wissenschaftsverlags Mohr Siebeck. 2010 erhielt die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin das Verlagsarchiv des Tübinger Wissenschaftsverlags Mohr Siebeck. 1801 wurde in Frankfurt am Main die Buchhandlung Jacob Christian Benjamin Mohr mit Verlag ge-gründet, ab 1804 wurde sie in Heidelberg als akademische Verlagsbuchhandlung weitergeführt. 1878 erwarben die Verleger Kötzle und Siebeck den Mohr Verlag und verlagerten ihn nach Frei-burg. Viele deutsche Wissenschaftler mit internationaler Wirkung veröffentlichten ihre Werke bei Mohr Siebeck, unter ihnen der Theologe und Historiker Adolf von Harnack (1851-1930), der Öko-nom und Soziologe Max Weber (1864-1920), der Jurist Hans Kelsen (1881-1973) und der Theolo-ge, Philosoph, Organist und Arzt Albert Schweitzer (1875-1965). Die Schwerpunkte liegen auf den Gebieten Theologie, Jura, Philosophie, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften. Das Archiv umfaßt unter anderem die intensive Korrespondenz mit den Autoren (838 Kartons), die Verträge mit den Autoren (24 Kartons) und Rezensionen zu Publikationen (215 Kartons) sowie Verlagsma-terialien aller Art (104 Kartons). Die Erschließung des Archivs soll innerhalb von fünf Jahren er-folgen.
Dieter Schmidmaier

Archiv der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration. Die Hochschul- und Landesbiblio-thek Fulda und der Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule haben eines der umfassendsten Archive zum Thema „Flucht und Migration“ übernommen. Die Forschungsgesell-schaft wurde 1994 in Berlin gegründet und befaßt sich mit der Situation von Flüchtlingen an den Grenzen der Europäischen Union. Das Archiv war bisher in den Räumen der Berliner Freien Uni-versität untergebracht. Es umfaßt in erster Linie sogenannte Graue Literatur, das sind Veröffentli-chungen, die nicht im Buchhandel erscheinen, wie Berichte, Protokolle und Flugblätter. Es ergänzt das 2008 an der Hochschule Fulda eröffnete und derzeit für die Lehre und Forschung erschlossene Peter-Kühne-Archiv, eine Schenkung des Dortmunder Wissenschaftlers Prof. Dr. Peter Kühne, das 2008 übernommen wurde.
Dieter Schmidmaier

Mainzer Stadtdrucker: Philipp Hennevogl. Alle zwei Jahre verleiht die Stadt Mainz einem der Druckkunst verbundenen Graphiker den Titel eines Stadtdruckers. Der Preisträger des in diesem Jahr zum 16. Mal verliehenen Titels ist Philipp Hennevogl, ein Meister des Linolschnitts. Eine Ausstellung zeigte eine Werkübersicht, vor allem die Arbeiten, welche Basis für die Mainzer Eh-rung sind. Philipp Hennevogl, 1968 in Würzburg geboren, studierte von 1988 bis 1994 Malerei an der Kunsthochschule der Universität Kassel. Seit 2006 unterrichtet der freischaffende Künstler auch an Hochschulen, so zunächst an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, in den Folgejahren an der Universität Kassel. Seine Li-nol- und Holzschnitte wurden in mehreren Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Verschiede-ne renommierte Kunstsammlungen haben Werke von Hennevogl angekauft, so das Städel in Frank-furt/Main. Erste Auszeichnungen erhielt Hennevogl in Monschau (Montjoie Stipendium) und Würzburg (Kulturförderpreis der Stadt). Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin und Windesheim (Rheinhessen).
In den letzten Jahren stand der Linolschnitt im Vordergrund des graphischen Schaffens von Hennevogl. Seine Motive entnimmt er der Beobachtung des Lebensalltags. Er hält seine Eindrücke zunächst mit der Kamera fest, um sie in einem zweiten Arbeitsgang vergrößert auf Linoleum zu übertragen. Im künstlerischen Transformationsprozeß lotet Hennevogl die Spannung zwischen Hell und Dunkel, Licht und Schatten aus und schafft ungewöhnlich großformatige Arbeiten, die schon mal eine Dimension von 200 mal 120 Zentimeter erreichen. Auffallend – und für Linolschnitte nicht gerade kennzeichnend – ist die Zartheit und Feingliedrigkeit der Lineaturen. Die Stege sind vielfach hauchdünn. Der Schwarzweiß-Kontrast wandelt sich in ein Licht- und Schattenspiel, in dem eine Grautönung vorherrscht. Auf den ersten Blick könnte man einen Holzstich vermuten – wenn nicht das große Format wäre. Wenngleich der Linolschnitt gern als Illustrationsgraphik ein-gesetzt wird, hat sich Hennevogl bisher noch nicht mit Buchgraphik beschäftigt, stellt das aber in Aussicht. Man darf gespannt sein.
Ferdinand Puhe

Die Sammlung Levy & Müller von Ralf Schulze geht an die Internationale Jugendbibliothek in München. Mit der Sammlung Levy & Müller des Ingenieurs und privaten Buchsammlers Ralf Schulze wird der historische Bestand der Internationalen Jugendbibliothek um eine neue, außerge-wöhnliche Facette bereichert. Die Sammlung umfaßt zirka 500 Kinder- und Jugendbücher des Stuttgarter Verlags Levy & Müller aus den Jahren 1894 bis 1952, ergänzt um zahlreiche Werbemit-tel, Exlibris, Lesezeichen, Postkarten. Sie ist eine einzigartige Rekonstruktion der Buchproduktion eines jüdischen Verlagshauses, dessen Ende mit der Diktatur der Nazis besiegelt wurde.
Der Verlag Levy & Müller, gegründet 1871, spezialisierte sich bereits 1895 auf Kinder- und Jugendliteratur. Unter seinem Signet versammelte er nicht nur beliebte zeitgenössische Autorinnen wie Frida Schanz, Elisabeth Halden und Sophie Wörishöffer, sondern auch Klassiker wie Ludwig Bechstein, Daniel Defoe und Jonathan Swift. Mit gut verkäuflichen Titeln zeitgenössischer Bestsel-lerautorinnen wie „der deutschen Spyri“ Tony Schumacher oder Josephine Siebe mit ihren O-berheudorfer Buben- und Mädelgeschichten und Kasperle-Büchern, sowie einem professionellen, modernen Marketing erzielte der Verlag hohe Auflagen und wirtschaftliche Erfolge. Unter dem Motto „Der Jugend das Beste!“ proklamierte er, nur „sorgfältig vorbereitete, gediegen und künstle-risch ausgestattete Werke“ herzustellen, die einer „strengen Auswahl nach literarischen Grundsät-zen“ sowie der scharfen „Prüfung auf Gehalt und pädagogische Anforderungen“ unterlagen. Das qualitäts- und traditionsbewußte Verlagsprogramm bediente und repräsentierte den Geschmack einer breiten bürgerlichen Leserschaft und gibt damit auch Einblick in die Rezeptionsgeschichte der Kinder- und Jugendliteratur von der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg. Damit stellt die Sammlung sowohl buch- und literaturgeschichtlich als auch verlags- und sozialgeschichtlich eine herausragende Quelle für Wissenschaft und Forschung dar.
setzte, de