Redaktionsschluss 5. Oktober 2010
Ehrung für Günther Stiller
Paul Rosié 100 Jahre
Klaus Wagenbachs Erinnerungen
20 Jahre Andante Handpresse Berlin
175 Jahre Museumsgesellschaft Zürich
Stroemfeld zum 40. in der Nationalbibliothek
Festschrift des Deutschen Buch- und Schriftmuseums
Deutschsprachige Buchkultur der 1950er Jahre
Neue schöne Kinderbücher
bella figura. Italienische Buchmalerei
Mit Michael Erbe in der Unterwelt
Lexikon deutsch-jüdischer Autoren
Jimmy Ernst, der Schriftkünstler
Bibliothek von Hanno Beck
John Heartfield Haus Waldsieversdorf.
Archiv des Wissenschaftsverlags Mohr Siebeck
Archiv der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration
Mainzer Stadtdrucker: Philipp Hennevogl
Die Sammlung Levy & Müller von Ralf Schulze
Ehrung für
Günther Stiller, einen Großmeister der Graphik. Durch seine Illustrationen
in mehr als hundert Büchern kennt und schätzt man Günther Stiller seit
Jahrzehnten. Seine Buchgraphik in Erwachsenen- und Kinderliteratur machen den
jetzt 83jährigen zu einem der bedeutenden Meister dieses Genres. Im August
verlieh der Rheingau-Taunus-Kreis den mit 3000 Euro dotierten Kultur-preis der
Sparte Bildende Kunst mit großer Zustimmung aller Verantwortlichen an Günther
Stiller und ehrte damit das Lebenswerk des Künstlers.
Stiller illustrierte unter anderem Werke von Brecht, Tucholsky und Rimbaud. Er
gestaltete aber auch eigene Bücher. Auftraggeber waren die Verlage Beltz,
Büchergilde Gutenberg, S. Fischer, Rowohlt und Schott. Die humorvolle Laudatio
hielt Stillers Schwiegersohn, Stefan Biedermann, Vizegeneralkonsul in Japan. Er
würdigte das „unendlich reiche Werk voller Saftigkeit, Vitalität und Witz“ des
gebürtigen Hamburgers, Sohnes eines Schriftsetzers. Mit einigem Recht sprach
Bieder-mann vom Aussterben der Illustrationskunst. Landrat Burkhard Albers
belegte die Bedeutung des Geehrten und das hohe Ansehen bei den Autoren mit
Zitaten wie von Peter Härtling: „Der Stiller ist kein Stiller.“ Andere sprechen
von der „eigensinnigen Kunst“ Stillers, die sie als „kraftvoll und dabei
zärtlich und einfühlsam, humorvoll, poetisch, manchmal ganz zart erotisch und
auch angriffs-lustig“ bezeichnen.
Günther Stiller zog 1951 nach Wiesbaden und 1964 nach Watzhahn im Taunus. Dort
baute er eine Scheune zum Familiendomizil und zur Druckwerkstatt um. Von hier
aus gründete er dann 1974 mit seiner Frau Renate „MachArt“, Taunussteins
wichtigste Kulturinstitution. – Günther Stil-ler bedankte sich für die Ehrung,
die ihn überrascht habe, und riet allen dazu, das zu tun, was ihn bis heute
antreibe: „Sich ein Bild machen!“
Ferdinand Puhe

Paul Rosié 100 Jahre. Vor zwei Jahren hatte der
Verein „Helle Panke“ in Berlin-Pankow / Prenz-lauer Berg mit einer Ausstellung
an den 100. Geburtstag von Herbert Sandberg erinnert; nun folgte eine weitere
zum 100. Geburtstag seines Kollegen, des Berliner Zeichners, Graphikers und
Hoch-schullehrers Paul Rosié (23. 10. 1910 - 1. 11. 1984). Zur Vernissage
versammelte sich eine große Zahl von Kunstfreunden, ehemaligen Schülern und
Fachkollegen wie Harald Kretzschmar oder Ronald Paris. Ein Dokumentarfilm über
sein Leben und Schaffen, vom Jubilar selbst geschrieben, gesprochen und
dargestellt, eröffnete den Abend, dem der Satiriker Lothar Kusche, Rosié seit
den Jahren beim Ulenspiegel um 1948 freundschaftlich verbunden, sehr heitere
Erinnerungen an das Boheme-Leben der Nachkriegsjahre folgen ließ. In den drei
Räumen der Ausstellung waren Proben aus verschiedenen Schaffensbereichen Rosiés
zu sehen, die Originale von satirischen Zeichnungen für Zeitschriften und zu
seinem Buch Geprügelte Worte, Buchillustrationen etwa zu Heinrich Manns
Professor Unrat oder Thomas Manns Buddenbrooks sowie zu Saltykow-Schtschedrin
und Eça de Queiroz. (Siehe dazu die Würdigung mit Bibliographie von Alice
Hartmann in MARGINA-LIEN, H. 138, 1995). Aus seinem umfangreichen
gebrauchsgraphischen Schaffen wurden Beispiele von Schutzumschlägen,
Filmplakaten und reizvollen Briefmarken gezeigt.
Konrad Hawlitzki

Klaus Wagenbachs Erinnerungen, Festreden
und Seitenhiebe zum 80. Klaus Wagenbach, 1964 Gründer des gleichnamigen Verlags,
beschenkt uns zu seinem 80. Geburtstag mit einer Art Fest-schrift: Die Freiheit
des Verlegers. Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe. (Berlin: Verlag Klaus
Wagenbach, 2010. 348 S. Pp. 8° ISBN 978-3-8031-3632-9). Schon anläßlich früherer
Verlagsjubi-läen hat Wagenbach uns als Herausgeber und Autor mit interessanten
Rückblenden und Aussichten überrascht, so mit Fintentisch. Ein Almanach zum
20jährigen Bestehen, Das schwarze Brett. Ein Lesebuch zum 25jährigen und Wieso
Bücher? Almanach zum 30jährigen, Karnickel. Karnickel anläßlich des 100. Bandes
der Taschenbücherei sowie zum 40jährigen Warum so verlegen? (vgl. MARGINALIEN,
H. 177, 2005, S. 103-104). Was ist da noch ungesagt oder wieder lesenswert? Eine
ganze Menge. Da sind die für diesen Band geschriebenen wunderbaren Geschichten
über die Fami-lie, aus den Lehrjahren und aus der Nachkriegszeit (Woran ich mich
erinnere und Hundsaugen, das Dorf des Urgroßvaters, Großvaters und Vaters), die
Miszellen zur Geschichte Deutschlands (Deut-sche Verhältnisse), die Wanderjahre
in Italien (Luftig, Schuftig), die Beiträge für Freunde, Wegge-fährten und
Vorbilder zu den verschiedensten Anlässen wie für Erich Fried, Günter Grass,
Stephan Hermlin und Kurt Wolff (Autoren, Freunde, Nickel) und die verlegerischen
und buchhändlerischen Essays (Werthe Collegae). Das Ganze ist garniert mit einem
Epilog (Ausschleichen), verschiedenen Anmerkungen, einer kurzgefaßten Biographie
und einer Auswahlbibliographie seiner Werke. Der Verfasser einer bis heute
unübertroffenen Biographie der Jugend Franz Kafkas, überhaupt immer wieder Kafka
im Verlagsprogramm, der Verleger von Erich Fried, der Entdecker vieler
italieni-scher Schriftsteller und Dichter, „einer der letzten Verleger aus einer
Generation von unabhängigen Verlegern; ein linker, aber undogmatischer Kopf“
präsentiert uns mit diesem Band die wichtigsten Texte aus fünf Jahrzehnten. Wir
nehmen sie dankend und gratulierend an. Was fehlt? Zwei Dinge, die aber in
großartigen Interviews behandelt werden: Die Frauen in seinem Leben (siehe
Tages-spiegel vom 15. 6. 2010, S. 26) und Literatur und linke Politik aus
heutiger Sicht (siehe Spiegel 26/2010, S. 109-113).
Dieter Schmidmaier

20 Jahre Andante Handpresse Berlin. Aus
Anlaß des zwanzigjährigen Bestehens der Andante Handpresse von Peter Rensch
zeigte die Büchergilde Frankfurt/Main eine Auswahl der seit 1990 entstandenen
Bücher und Einzelgraphiken. Peter Rensch hatte gemeinsam mit seiner Frau Inga
die Presse in Berlin-Schöneberg gegründet. Die hochbegabte Künstlerin starb nach
längerer Krankheit im April im Alter von 44 Jahren. Inga Rensch war von 1998 bis
2003 Leiterin des Künstlerhauses Ahrenshoop, 2004 gründete sie die Galerie
charlier in Berlin.
Der 1956 in Berlin geborene Peter Rensch absolvierte zunächst eine
Schriftsetzerlehre und stu-dierte von 1978 bis 1981 Typographie an der
Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin. Ab 1983 arbeitete Rensch als
freischaffender Künstler und Typograph. Nach einem vergeblichen Ausreiseantrag
aus der DDR wurde ihm seitens der Behörden ein Mal- und Ausstellungsverbot
auferlegt. 1987 übersiedelte Rensch dann nach Westberlin und arbeitete zunächst
für die Edition Handpresse Gutsch. Ab 1988 entstanden eigene Bücher als
Handpressendrucke, die ab 1990 dann unter dem Namen Andante Handpresse
herausgegeben wurden. 1995 erhielt der Künstler ein Sti-pendium der Stiftung des
Kulturfonds im Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop. 2005 wurde Rensch als Dozent an
die renommierte OSTKREUZ-Schule für Fotografie berufen. Seit 2007 betreibt
Rensch in Berlin-Friedrichshagen eine Werkstattgalerie, in der
Druckdemonstrationen, Ausstellungen und Lesungen stattfinden. Für Schüler des
benachbarten Gymnasiums führt der Künstler Holzschnitt-Kurse durch, eine echte
Nachwuchsförderung. Die hohe Qualität seiner Druckerzeugnisse führten Peter
Rensch auch Auftraggeber aus dem Kreis der Kleinverlage zu.
Zum Jubiläum legt Peter Rensch einen Katalog vor, der 54 von ihm
originalgraphisch illust-rierte Bücher aufweist, darunter Werke von Else
Lasker-Schüler, Theodor Storm, Novalis, Joachim Ringelnatz, Georg Heym, Leonardo
da Vinci und Hugo Ball. Die im Handsatz erstellten Texte wurden von Rensch mit
kongenialen Zeichnungen, Graphiken, Aquarellen und Druckcollagen ver-sehen und
im Buchdruck hergestellt. Schön und zugleich erschwinglich ist die Reihe
Kapitälchen, die in einer Auflagenhöhe von 100 Exemplaren seit einigen Jahren
erscheint. Die Heftchen enthal-ten auch Graphiken anderer Künstler. Entsprechend
seiner Vorliebe für expressionistische Literatur ist auch der künstlerische Stil
von Peter Rensch expressiv mit schnellem lockerem Strich. Zur Ü-bertragung
seiner Zeichnungen in eine Druckvorlage hat Rensch eine eigene Technik
entwickelt: Mit der Radiernadel ritzt der Künstler seine Figurinen auf einen
Film, der dann mittels Belichtung auf eine Nyloprintplatte übertragen wird. So
entsteht dann ein Hochdruck, ähnlich dem Holzschnitt.
Ferdinand Puhe

175 Jahre Museumsgesellschaft Zürich, 10 Jahre
Literaturhaus Zürich. Lesegesellschaften gehörten im 19. Jahrhundert in vielen
großen Städten Europas zum festen Bestandteil des literari-schen Lebens. Sie
entstanden vor allem als Antwort auf den wachsenden Markt an Zeitungen und
Zeitschriften. Neue Leserschichten suchten Bildung, Information und
Unterhaltung, die sie in den kommerziellen Leihbibliotheken und verzopften
Stadtbibliotheken nicht erlangen konnten. Die „Museumsgesellschaft Zürich“
entstand aus dem Zusammenschluß zweier bestehender Lesegesell-schaften und
verstand sich im alten Sinne des Wortes Museum als „Studierzimmer“ für alle
gebil-deten Stände Zürichs. Sie wurde 1835 gegründet, als die Schweiz eine
liberale Umgestaltung gro-ßen Umfangs durchmachte, und war selbst für Zürich ein
Meilenstein in diesem Reformprozeß. Zu ihren Großtaten gehörte die Einrichtung
der ersten öffentlichen Lesesäle der Stadt, die sogleich lebhaften Zuspruch
fanden. Hier konnten neben deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften auch
die führenden Blätter aus vielen anderen europäischen Ländern gelesen werden.
Die anderen Züricher Bibliotheken stellten ihre Blätter leihweise zur Verfügung,
weil sie selbst nicht über beheizbare und gut beleuchtete Lesesäle verfügten. Im
Museum konnten die Mitglieder praktisch die ganze Woche, auch an den Abenden und
am Sonntag, lesen. Bald wurde eine Bibliothek angegliedert, die namentlich
großen Wert auf einen aktuellen Belletristikbestand legte, auch ein Novum, mit
dem das Institut lange Zeit konkurrenzlos dastand.
Zu den Mitgliedern gehörten im 19. Jahrhundert praktisch alle führenden Köpfe in
Wirtschaft, Politik und Kultur der Stadt. In den Verzeichnissen der Mitglieder
und Gäste finden sich so promi-nente Namen wie Georg Büchner, Alfred Einstein,
Georg Herwegh, Gottfried Keller, Lenin, Theo-dor Mommsen, Friedrich Nietzsche,
Charles Sealsfield und Leo Trotzki. Die Verankerung der Mu-seumsgesellschaft in
der Bürgerschaft Zürichs erlaubte es ihr, nach Jahren der Miete in fremdem Haus
1866 bis 68 an den Bau eines eigenen Bibliotheksgebäudes am Limmatquai 62 im
Herzen Zürichs zu gehen. Die Finanzierung, vom Grundstückserwerb über den Bau
und die Möblierung bis hin zum laufenden Etat, lag ausschließlich in der Hand
der Mitglieder, die so weitsichtig investier-ten, daß die Bibliothek im Parterre
Läden einrichten konnte. Die Einnahmen aus deren Vermietung decken heute
weitgehend ihren Etat und haben letztlich das Überleben der Einrichtung inmitten
von inzwischen gut funktionierenden Großbibliotheken ermöglicht. Seit zehn
Jahren hat die Museums-gesellschaft zusätzlich ein Literaturhaus angegliedert,
in dem jährlich rund 100 Lesungen und ande-re Veranstaltungen stattfinden. Das
alles kann man genauer nachlesen in einer gut recherchierten, profunden und
unterhaltsam geschriebenen Festschrift: Thomas Ehrsam: Silentium! Lesen und
lite-rarisches Leben in Zürich: Museumsgesellschaft und Literatur. Vorwort v.
Ulrich Pfister, Beiträge von Richard Reich und Beatrice Stoll. Zürich: Limmat,
2009. 206 S., 44 Abb. 8°. Pp. 22,80 Euro. ISBN 978-3-85791-588-8.
C. W.

Stroemfeld zum 40. in der Nationalbibliothek. In
diesem Jahr feiert der Stroemfeld Verlag (vor-mals Verlag Roter Stern),
Frankfurt am Main, sein vierzigjähriges Bestehen. Jürgen Engler schil-derte die
bewegte Geschichte des renommierten Verlages im 198. Heft der MARGINALIEN (S.
48-53). In großartiger Weise präsentierte der Verleger KD Wolff den
interessierten Lesern und Samm-lern in einer Ausstellung in der
Nationalbibliothek Frankfurt/Main die Glanzlichter seiner Tätigkeit – und (fast)
alle Bücher der vergangenen Jahrzehnte waren solche. Die Eröffnungsveranstaltung
war zugleich der festliche Höhepunkt des Jubeljahres. Zahlreiche Vertreter des
öffentlichen und literarischen Lebens nahmen im vollbesetzten Vortragssaal der
Nationalbibliothek teil und lausch-ten den teils fachlichen, teils amüsanten
Lobreden auf KD Wolff und seine Mitarbeiter. Die Ent-wicklungsgeschichte des
Verlags vom „Roten Stern“ eines linken Flaggschiffs zum seriösen Verlag mit
anspruchsvollem Programm und die eckige Persönlichkeit des tatkräftigen
Verlegers boten vie-le Möglichkeiten für spitze, aber wohlgemeinte Anmerkungen.
Sehr lobend äußerte sich Prof. Dr. Karl Pestalozzi, der Präsident der Stiftung
für eine Historisch-Kritische Gottfried-Keller-Ausgabe über die Zusammenarbeit
mit KD Wolff und dessen Einsatz auch für die Robert-Walser-Ausgabe.
Die Ausstellung selbst bestach einerseits durch die Reichhaltigkeit und
andererseits durch die benutzerfreundliche Präsentation. Fast alle Titel waren
wie in einer Handbibliothek auf offenen Regalen ausgestellt, so daß der
Interessierte in den Büchern nach Lust und Laune schmökern konn-te. Es darf dem
Verlag bescheinigt werden, daß den Büchern in ihrer Gesamtgestaltung und ihrer
handwerklichen Verarbeitung ein hoher bibliophiler Rang zusteht. Vor allem die
textkritischen Ge-samtausgaben zu Friedrich Hölderlin, Franz Kafka, Gottfried
Keller, Heinrich v. Kleist, Gustav Regler, Georg Trakl und Robert Walser
zeichnen sich durch die faksimilierte Wiedergabe von Handschriften der Dichter,
meist in Originalgröße, aus. Zahlreiche Schriftproben bietet das zur Ausstellung
erschienene Katalogbuch Stroemfeld im 40. Jahr (ISBN 978-3-86600-057-5).
Ferdinand Puhe

Festschrift des Deutschen Buch- und Schriftmuseums.
Aus Anlaß seines 125. Geburtstags hat das Deutsche Buch- und Schriftmuseum in
Leipzig die Bücherfreunde mit einem wahren Kompen-dium des Buches beschenkt:
Zeichen, Bücher, Wissensnetze. 125 Jahre Deutsches Buch- und Schriftmuseum der
Deutschen Nationalbibliothek. Hrsg. von Stephanie Jacobs. Göttingen: Wall-stein
, 2009. 392 S., Gr.-8°. Pp. 19,90 Euro. ISBN 978-3-8353-0583-0. Die Autoren
singen darin ein Loblied auf das Buch und werfen einen Blick auf die Historie
des Buches sowie die Zukunft des heute vielfach in Frage gestellten Mediums. Die
Art der Betrachtungen zum Buch- und Biblio-thekswesen ist höchst
unterschiedlich, sie reicht vom Essay über die wissenschaftliche Untersu-chung
bis hin zu Grußadressen und in einem Fall sogar zum Gedicht. Diese
Vielgestaltigkeit ergibt sich aus der beruflich breit gefächerten Herkunft der
Autoren. Sie reicht vom Schriftsteller Günter Kunert über den Erzähler und
Medienwissenschaftler Umberto Eco, den Comic-Zeichner Volker Reiche, den
Kulturpolitiker Hans Joachim Otto MdB, den Historiker Ulrich Raulff, den
Buchwis-senschaftler Reinhard Wittmann, den Bibliothekar Lothar Poethe, den
Antiquar Wilhelm Hohmann und den Verleger Elmar Faber bis zu den Buchgestaltern
Axel Bertram und Uta Schneider. Und damit ist nur eine kleine Auswahl der
illustren Zahl der Autoren genannt, die erzählen, wie sie zum Buch fanden, das
Buchmuseum erlebten oder was sie am Buch fasziniert. Die Vielgestaltigkeit des
Herangehens an das Thema macht den Reiz des Buches aus. Allen gemeinsam sind die
Überzeu-gung vom Wert des Buches und der Glaube an seine Zukunft in Zeiten
digitaler Kommunikation und papierloser Bewahrung.
Die Gestaltung des fadengeheften und ordentlich gebundenen Buches wird dem
Anspruch ei-ner Festschrift eines Buchmuseums durchaus gerecht. Angenehme Pausen
beim Studium des Bu-ches findet der Leser durch umfangreiche Farbtafeln mit
Darstellungen interessanter Exponate aus den Sammlungen des Museums, die
zusätzlich zu den Abbildungen im Text zwischen den Artikeln eingebunden sind.
Etwas problematisch ist die experimentelle Gestaltung des Satzspiegels: Die
Beiträge sind im Flattersatz rechtsbündig gestaltet, die Seitenzahlen stehen
oben, das Schriftbild ist weit nach unten auf der Seite gestellt und die Angaben
zum Seiteninhalt befinden sich am Fuß. So hat man beim Aufschlagen des Buches
immer den Eindruck, das Buch verkehrtherum zu halten.
Abel Doering

Deutschsprachige Buchkultur der 1950er Jahre.
Die Nachkriegszeit war durch eine Aufbruchstimmung auf allen Gebieten der Kultur
charakterisiert. Während dies für Theater, Film, bildende Kunst, Architektur und
Musik vielfach beschrieben wurde, fehlten bisher solche Untersuchungen zur
fiktionalen Literatur als einem wichtigen Gebiet der Buchkultur. Mehr noch: Die
Literaturge-schichtsschreibung hat eine Heterogenität weitgehend ausgeblendet,
weil sich ihre Verfasser auf einen engen Kanon literarischer Neuerscheinungen
konzentrierten. Dieser Zustand wurde in den später erscheinenden
Literaturgeschichten meist fortgeschrieben. In einer jetzt erschienenen
Veröf-fentlichung von Günter Häntzschel, Adrian Hummel, Jörg Zedler,
Deutschsprachige Buchkultur der 1950er Jahre. Fiktionale Literatur in Quellen,
Analysen und Interpretationen (Buchwissen-schaftliche Beiträge aus dem Deutschen
Bucharchiv 76. Mit einer Quellendatenbank auf CD-Rom. Wiesbaden: Harrassowitz,
2009. 290 S. 8°. Pp. 59 Euro. ISBN 978-3-447405656-4), soll die Lite-ratur der
1950er Jahre in ihrer ganzen Vielfalt unverfälscht und ohne wertende Auswahl
dargestellt werden. Damit wird dem Bücherfreund eine wichtige Hilfe in die Hand
gegeben. Die Autoren wählten für ihr Vorhaben die Stichjahre 1950, 1955 und 1960
aus und untersuchen die in diesen Jahren erschienene fiktionale Literatur
einschließlich der wiederaufgelegten Texte und der Überset-zungen nach den
Angaben der deutschen Nationalbibliographie, ergänzen dies um die in den Ta-ges-
und Wochenzeitungen und literarischen Zeitschriften erschienenen Rezensionen
sowie bio-bibliographische Informationen zu den Autoren. Sie untersuchen
akribisch den Produktionsaspekt an den Fallbeispielen Hans Fallada und Gertrud
von Le Fort, den Distributionsaspekt an dem Fall-beispiel Anthologien in der DDR
und in der Bundesrepublik sowie den Rezeptionsaspekt. Allein der letzte Aspekt
birgt zahlreiche Überraschungen: Von den Rezensenten am stärksten beachtet
wurden Hermann Kesten, Reinhold Schneider und Kasimir Edschmid, viel weniger die
Autoren der „Gruppe 47“, stark beachtet wurden auch die heute vergessenen Werner
Helwig, Wilhelm Pleyer und Jochen Thiem, viel Reputation zuteil wurde auch der
dem Nationalsozialismus huldigenden Ina Seidel und der vom Nationalsozialismus
verfolgten Geno Hartlaub … Die Veröffentlichung ist also für den Bücherfreund
eine gute Basis zur Einschätzung der deutschsprachigen Literatur der 1950er
Jahre.
Dieter Schmidmaier

Neue schöne Kinderbücher. Die Fülle an
Neuerscheinungen auf dem Markt der Kinderbücher überrascht immer wieder aufs
Neue. Es ist allerdings schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Allzu viele
Bücher für Kinder und Jugendliche lassen eine an bibliophilen Grundsätzen
ausgerich-tete Ausstattung vermissen. Doch nimmt die Zahl der guten Bücher, bei
denen der wertvolle Inhalt mit einer ansprechenden Gestaltung einhergeht,
erfreulicherweise zu. So kamen auch in den ver-gangenen Monaten Kinderbücher in
den Buchhandel, die den Kriterien eines schönen Kinderbu-ches entsprechen.
Da ist zunächst Kamel bleibt Kamel – Äsops Bilderbogen, neu erzählt und sensibel
hinterfragt von Antonie Schneider und versehen mit phantasiereichen farbigen
Bildern von Aljoscha Blau. Mit Recht bezeichnet der Verlag diesen Bilderbogen
von Philosophie und Poesie in Tierverkleidung als ein Hausbuch für jedermann
(Verlag Nilpferd in Residenz, St. Pölten, ISBN 978-3-7017-2056-9, 14,90 Euro).
Ein weiteres Buch, das wegen seiner zeichnerischen Qualität und seines
Erfindungs-reichtum auffällt, ist Johanna im Zug von Kathrin Schärer. Die
Illustratorin zeichnet einen Zug und darin die Reisenden. Ein Schwein will
wissen, wie es denn nun heißt. So entwickelt sich die Ge-schichte einer Zugreise
voller Begegnungen und Überraschungen. Doch dann wünscht sich das Schwein, daß
die Künstlerin zurückblättert in ihren Notizen. Daraus ergibt sich dann ein
wunderba-res Hin und Her, eine Geschichte über ein aufsässiges, aber
liebenswertes Schwein und über das Geschichtenerfinden. Wie das zuvor
beschriebene Buch ist auch dieses für einen Erwachsenen reizvoll (atlantis im
Orell Füssli Verlag, Zürich, ISBN 978-3-7152-0582-3, 13,90 Euro).
Aus dem letztgenannten Verlag stammt auch Oma, Emma, Mama, ein Ausschnitt aus
der Kindheit eines Chamäleons in seinem Familienverbund. Das von Lorenz Pauli
geschilderte und wiederum von Kathrin Schärer einfühlsam illustrierte
Versteckspiel der Chamäleons im Busch regt die kindliche Phantasie der
Altersgruppe 5-6 Jahre an. Die Kinder werden veranlaßt, sich mit den
Chamäleon-Verwandten auf die Suche nach der kleinen Emma zu begeben, die sich
farblich ja so gut ihrer Umgebung anpassen kann – ein Chamäleon eben (ISBN
978-3-7152-0607-3, 14,90 Euro).
Im 197. Heft der MARGINALIEN (S. 102-103) hatten wir ein in der Edition Raasch
erschienenes Buch von Antje Wichtrey vorgestellt. Nun gibt die bohem press,
Zürich, ein zauberhaftes Kinder-buch der Künstlerin – ihr erstes – unter dem
Titel Peters Labyrinth heraus. In mancherlei Hinsicht ist dieses Kinderbuch so
ganz anders, als man es gewohnt ist. Es entstand aus einem Künstlerbuch im
gleichen Verlag. Durch seine malerischen, teils holzschnittartigen, mit vielen
typographischen Elementen gespickte Gestaltung ist das Buch eine Augenweide für
bibliophile Sammler (ISBN 978-3-85581-479-4, 14,95 Euro).
Ein fröhliches Wiederauferstehen feiert Wilhelm Buschs Hans Huckebein, der
freche Rabe. Der Klassiker aus der Feder des großen Humoristen und Satirikers
wird vom Illustrator Jonas Lau-ströer neu entdeckt. Die vielfarbigen malerischen
und ausdruckstarken Impressionen lassen die tragisch endende Geschichte des
bösartigen Vogels ganz neu miterleben. Das vom Raben Hans im Haushalt der Tante
angerichtete Chaos erhält eine beeindruckende Plastizität, deren Faszination man
sich nicht entziehen kann. So ist das Buch für Kinder im Schulalter und
natürlich für Busch- wie auch für Graphikfreunde ein wundervolles Sammelobjekt (minedition
in der Michael Neuge-bauer Edition, Bargteheide, ISBN978-3-86566-126-5, 14,95
Euro).
Ferdinand Puhe

bella figura. Italienische Buchmalerei in der
Bayerischen Staatsbibliothek. Im Rahmen der Säkularisation kirchlicher Güter in
Bayern 1802 und 1803 veränderten sich die Besitzverhältnisse von Handschriften
wesentlich. Der Bayerischen Staatsbibliothek bescherte die Säkularisation
um-fangreiche neue Bestände und leitete ihren Aufstieg zu einer der
bedeutendsten wissenschaftlichen Bibliotheken in Europa ein. Dazu gehört auch
ein Großteil der über 30 000 lateinischen mittelalter-lichen Handschriften.
Davon sind etwa 500 mit italienischem Buchschmuck versehen, ein zwar kleiner,
aber außerhalb Italiens bemerkenswert reicher Bestand. Der wissenschaftliche
Katalog die-ses Bestandes wird in zwei Bänden erscheinen, der erste ist
abgeschlossen und wird noch in diesem Jahr in Druck gehen. Aus diesem Anlaß und
wegen der 2010 mit dem Thema „Bayern – Italien“ gestalteten großen
Landesausstellung bot die Staatsbibliothek eine thematisch passende Ausstel-lung
an. Auf der Basis des ersten Katalogbandes, der vom 10. bis zur Mitte des 14.
Jahrhunderts reicht, bearbeitete Ulrike Bauer-Eberhardt die Ausstellung und
erarbeitete den kleinen, feinen zwei-sprachigen Ausstellungskatalog: bella
figura. Italienische Buchmalerei in der Bayerischen Staats-bibliothek. Le
miniature italiane all Biblioteca Statale Bavarese. München: Bayerische
Staatsbi-bliothek, 2010. 78 S. 4°. Pp. (Bayerische Staatsbibliothek.
Schatzkammer, 2010.) 15 Euro. ISBN 978-3-88008-004-1.
Demonstriert wird darin auf eindrucksvolle Weise die Schönheit und die
Aussagekraft der Handschriften. Der Katalog enthält je ein Vorwort des
Generaldirektors der Staatsbibliothek, Rolf Griebel, und der Leiterin des
Istituto Italiano di Cultura München, Giovanna Gruber, sowie eine Einführung in
die italienisch ausgestatteten Handschriften der Bibliotheca Regia Monacensis
von Ulrike Bauer-Eberhardt, die daran anschließend die 18 ausgestellten
Exemplare beschreibt und durch Fotos illustriert. Der Katalog zeigt, daß die
mittelalterliche Buchmalerei nicht nur eine rein sakrale Angelegenheit gewesen
ist. Neben Bibeln, Gebetbüchern und anderen geistlichen Schriften finden sich
auch profane Publikationen wie heilkundliche und juristische Schriften. So gibt
es eine medizinische Sammelhandschrift, überwiegend auf die Chirurgie bezogenen
Inhalts, aus dem 13. Jahrhundert, ein Decretum Gratiani, eine private
Zusammenstellung des bis 1140 vorhandenen Rechtsmaterials aus Bologna um 1180/90
sowie aus einem im Original nicht erhaltenen dreiteiligen Werk über Astronomie
und Astrologie von Michael Scotus das Liber Introductorius. Die Texte zu den
Handschriften und die Abbildungen sind von ausgezeichneter Qualität. Der Katalog
ist in Lay-out, Typographie und Druck ein kleines Schmuckstück.
Dieter Schmidmaier

Mit Michael Erbe in der Unterwelt. Wieder
macht die von Pirckheimer-Mitglied Marita Hoff-mann geführte Llux
Datenverarbeitung, Ludwigshafen am Rhein, mit einem bibliophil gestalteten Buch
auf sich aufmerksam. Unterstützt von der regen „Initiative Buchkultur: Das Buch
e. V.“ leitet der polnische Autor Michal Dziedzinski den geneigten Leser zu
einem Besuch in der Unterwelt (118 S., 25,4 x 16 cm, Fadenheftung, ill.
Hardcover, ISBN 978-3-938031-37-7). Michael Erbe, emeritierter Professor für
Neuere Geschichte an der Universität Mannheim und Mitglied der Histo-rischen
Kommission Berlin, hat das Buch aus dem Polnischen übersetzt und mit vielen „vom
Ver-fasser autorisierten Ergänzungen“ versehen. Ingeborg Kempf, Mannheim, schuf
dazu vierzehn kongeniale ganzseitige Illustrationen, die auf der linken Seite
dem Text gegenüberstehen. Dieser ist breitrandig mit ausgewogenem Durchschuß
sehr lesefreundlich in der Typographie von Hans-Joachim Kotarski, Ludwigshafen,
angeordnet. Bild und Text ergeben so eine harmonische Gesamt-gestaltung.
Angemessen dem Thema herrscht eine graue Tönung vor.
Die Schilderung des Ich-Erzählers führt uns auf dem Weg in die Unterwelt, den
Hades, durch die Welt der griechischen und römischen Mythen von der Antike bis
zur Renaissance. So erfährt auch der (noch) nicht humanistisch gebildete Leser
die Wahrheit über Orpheus und Eurydike. Ü-berraschend die Erkenntnisse über den
Tod Cäsars und wie und warum Kleopatra trotzdem weiter-lebte. Auch hatte man in
der Schule nie gehört, warum drei Humanisten das Skatspiel erlernten. Diese und
noch viele „historische Fakten“ erleben wir mit dem Autor auf diesem virtuellen
Rund-gang durch die Tiefen der Unterwelt, bei dem sogar der Göttervater Zeus
besucht wird, immer be-gleitet von den zarten, aber manchmal recht martialischen
Bildern der Künstlerin Ingeborg Kempf.
Ferdinand Puhe

Lexikon deutsch-jüdischer Autoren.
Das bio-bibliographische Lexikon deutsch-jüdischer Autoren wird seit 1992 im
Archiv Bibliographia Judaica (Frankfurt/Main) erarbeitet, einer aus einer
privaten Initiative hervorgegangenen Dokumentations- und Forschungseinrichtung.
Nach 16 Bänden im Verlag K. G. Saur erschien jetzt Band 17 im Walter de Gruyter
Verlag: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Redaktionelle Leitung: Renate Heuer.
Unter Mitarbeit von Rashmi Arora, Rainer Brändle, Abdelhaq El Mesmoudi, Heather
Valencia, Pamela Wolf. (Wissenschaftlicher Beirat: Friedrich Battenberg, Horst
Denkler, Karl-Erich Grözinger u.a.). Band 17. Meid - Phil. Berlin: de Gruyter,
2009. 476 S. ISBN 978-3-598-22680-9 (Gesamtwerk), 978-3-598-22697-7 (Band 17).
Das Lexikon erschließt den jüdischen Beitrag zur deutschsprachigen
Kulturgeschichte, beginnend mit Moses Mendelssohn und endend mit der Vernichtung
und Vertreibung der deutschen Juden wäh-rend der nationalsozialistischen
Herrschaft. Neben den Autoren von Literatur im weitesten Sinn finden sich
Vertreter der Geisteswissenschaften und weitere Persönlichkeiten des
öffentlichen Le-bens, wenn ihr Wirken über ihr Fachgebiet hinaus Einfluß auf die
deutschsprachige Kulturgeschichte hatte.
Der biographische Teil der Artikel ist nach einem festen Schema gegliedert und
macht Angaben zur Person und Familie, ferner zu Ausbildung, beruflichen und
Lebensstationen. Er gibt, dem besonderen Ziel des Lexikons gemäß, Auskünfte zum
politischen und zionistischen Engagement der Persönlichkeit, zu ihrem
Freundeskreis sowie zur Stellung zum Judentum. Im bibliographischen Teil der
Artikel werden die selbständig erschienenen Werke, die Mitarbeit an Zeitungen
und Zeit-schriften sowie Einzelbeiträge in Auswahl aufgeführt. Dann folgen
Angaben zum Nachlaß und/oder Autographen und die Sekundärliteratur. Die Werke
werden – außer den üblichen Angaben – detailliert beschrieben: mit Annotationen
zum Inhalt und Inhaltsangaben, Zitaten des Verfassers oder Auszügen aus
Rezensionen. Es bietet also mehr als sonst in Bibliographien und Lexika üblich!
Im vorliegenden Band werden 61 Persönlichkeiten verzeichnet: unter anderem die
Dichter und Schriftsteller Alfred Mombert, Erich Mühsam, Alfred und Robert
Neumann und Leo Perutz, die Germanisten Werner Milch, Richard Moritz Meyer und
Max Morris, die Kunsthistoriker Erwin Panofsky und Nikolaus Pevsner, der
Philosoph Leonard Nelson, der Kulturhistoriker und Zionist Max Nordau, die
Philanthropin und Frauenrechtlerin Lina Morgenstern, die Frauenrechtlerin und
Pädagogin Bertha Pappenheim (Sigmund Freuds Patientin „Anna O.“) und die Familie
Mendels-sohn (neben Moses noch weitere acht Familienangehörige).
Die Angaben des Lexikons sind mit großer Sorgfalt zusammengetragen, die
bibliographischen Angaben beruhen – soweit überhaupt möglich – auf Autopsie. Es
wird damit ein Nachschlagewerk von hoher Genauigkeit vorgelegt, das bei
Recherchen zu den erfaßten Persönlichkeiten so gut wie keine Fragen offen läßt.
Kurzum: ein Schatzhaus an Informationen. – Das Lexikon soll 20 Bände umfassen
und in wenigen Jahren abgeschlossen vorliegen. Es ist nicht nur für
Bibliographen und Bibliothekare, sondern auch für Wissenschaftler der
verschiedensten Forschungsgebiete und Bü-chersammler ein wichtiges Hilfsmittel.
Harro Kieser

Jimmy Ernst, der Schriftkünstler. Unter dem
Titel Zwiebelfische - Jimmy Ernst, Glückstadt – New York, herausgegeben von
Christian Bau und Artur Dieckhoff, erscheint in der Edition Klaus Raasch ein
Bericht über Leben und Werk von Jimmy Ernst, dem Sohn von Max Ernst. Das Buch
mit Texten von Jürgen Bönig, Jimmy Ernst und Ulrich Krempel enthält zahlreiche
Fotos von Can-dida Höfer, August Sander, Wols und aus dem Archiv der in der
Fachwelt hoch angesehenen Dru-ckerei J. J. Augustin in Glückstadt. In dieser
Druckerei absolvierte nämlich Jimmy Ernst eine Aus-bildung als Schriftsetzer.
Die Firma Augustin war vor dem Krieg ein weltberühmtes Unternehmen für den
Fremdsprachensatz. Der Begriff „Zwiebelfische“ ist vielen bekannt, sind es doch
in der Druckersprache die Bleilettern, die in ein falsches Fach des Setzkastens
geraten sind. So war auch der junge Ernst ein Zwiebelfisch, der im deutschen
Setzkasten dank der Familie Augustin überle-ben und dann noch 1938 nach New York
emigrieren konnte. Dort begründete er seine hohe Aner-kennung als Buchgestalter.
Er schuf Kunstwerke, in denen Lettern als Zeichen magische Kraft ent-falten.
Dem Buch beigefügt ist eine zweisprachige DVD (deutsch/englisch). Auf ihr liest
der Schau-spieler Burkhart Klaußner Textpassagen aus der Autobiographie von
Jimmy Ernst, begleitet von einer von Ulrike Haage komponierten Filmmusik.
Candida Höfers Fotografien aus der Druckerei Augustin illustrieren den Vortrag.
Das Vorsatzpapier vorn und hinten ist mit Originalschriften von Augustin im
klassischen Buchdruck bedruckt. Buch und DVD kosten 48 Euro und sind bei Edition
Raasch, Meldorfer Str. 22, 20261 Hamburg, zu erhalten.
Ferdinand Puhe

Bibliothek von Hanno Beck. Die
Geographische Zentralbibliothek im Leibniz-Institut für Länder-kunde Leipzig hat
die Privatbibliothek des international renommierten Geographiehistorikers und
Humboldt-Forschers Prof. Dr. Hanno Beck erworben. Der 1923 in Eschwege geborene
Hanno Beck hatte von 1963 bis zu seiner Emeritierung 1988 eine Professur für
Geschichte der Naturwis-senschaften an der Universität Bonn inne. Er gilt als
Begründer der modernen Forschung über Ale-xander von Humboldt. Die von ihm
herausgegebene Darmstädter Humboldt-Ausgabe und seien zweibändige
Humboldt-Biographie sind Standardwerke. Seine Bibliothek umfasst 10.000 Bände
zur Geschichte der Geographie und des Reisens, zur Kartographie und zur
allgemeinen Wissen-schaftsgeschichte. Schwerpunkte sind die 1000 Bände zu Leben
und Werk von Alexander von Humboldt und die Sammlungen zu bekannten
Forschungsreisenden wie Emin Pascha (1840-1892), Wilhelm Ludwig von Eschwege
(1777-1855) und Georg Forster (1754-1794).
Dieter Schmidmaier

John Heartfield Haus Waldsieversdorf. Nicht
weit von Berlin liegt Waldsieversdorf inmitten der landschaftlich reizvollen
Märkischen Schweiz. Hier pachteten 1957 John Heartfield und seine Frau das
Grundstück Schwarzer Weg 12 am Großen Däbersee und errichteten ein kleines
Sommerhaus. Die Anregung dazu kam von Brecht, nachdem Heartfield 1951 und 1952
zwei Herzinfarkte erlebt hatte und gesundheitlich angeschlagen war. Buckow mit
Brechts Sommerdomizil liegt nicht weit entfernt. Heartfield besuchte den Freund
am Schermützelsee und verbrachte bereits 1953 erstmals den Sommer in
Waldsieversdorf. Weitere Aufenthalte in der Turmvilla folgten, bis sich das
Ehe-paar zur Niederlassung im Dorf entschloß. Zu den gesundheitlichen Problemen
hatte nicht zuletzt die Formalismusdebatte beigetragen, in der Heartfield und
seine Kunst grundsätzlich in Frage ge-stellt worden waren. Die späte Rückkunft
aus dem englischen Exil in die DDR 1950 war alles an-dere als glücklich
verlaufen, die ersten Jahre in Leipzig bis zum Umzug nach Berlin 1956 hatten
viele Enttäuschungen gebracht. Das Blockhaus unter Bäumen wurde für Heartfield
zu dem erhoff-ten Refugium, wo er zu sich selbst fand und wieder Lust auf
Buchgestaltungen gewann. Seine dritte Ehefrau Gertrud nutzte das Haus nach dem
Tod ihres Mannes (1968) noch viele Jahre bis zu ihrem Lebensende 1982. Sein
Bruder Wieland Herzfelde erinnerte sich: „Wann und wo man ihn traf, fast immer
war er in Eile, in Aufregung, in Zeitnot. Ausgenommen die Sommertage, die er mit
seiner Frau in dem Waldhäuschen verbrachte, wo er zwischen Bäumen, Blumen und
seltenen Dingen ge-wissermaßen eine zweite, eine glücklichere Kindheit erlebte.“
Die Gemeinde Waldsieversdorf, der Freundeskreis John Heartfield und die Akademie
der Künste haben in elfjähriger Zusammenarbeit das Haus schrittweise
rekonstruiert und einer öffentli-chen Nutzung zugeführt. Im April 2010 wurde das
Haus mit Mitteln des Europäischen Landwirt-schaftsfonds für die Entwicklung des
ländlichen Raumes saniert. Grundlage hierfür waren Fotos und Dokumente aus dem
schriftlichen Nachlaß John Heartfields in der Akademie der Künste. Jetzt
befindet sich im Haus ein kleines Museum teilweise mit Originalobjekten. Im
Gemeindezentrum im WaldKAuTZ, Wilhelm-Pieck-Straße 23, wird ergänzend eine
Dauerausstellung zu Leben und Werk John Heartfields gezeigt. Hinzu kommen
wechselnde Ausstellungen, so 2010 eine Sonder-schau zu Heartfield im englischen
Exil und eine Kunstausstellung mit Werken von Dieter Goltz-sche. Nach einer
Winterpause wird das Haus wieder geöffnet. Weitere Informationen sind zu
erhal-ten beim Freundeskreis John Heartfield Waldsieversdorf e. V., Dahmsdorfer
Straße 18, 15377 Waldsieversdorf, und auf der Homepage
www.johnheartfield-haus.de.
C. W.

Archiv des Wissenschaftsverlags Mohr Siebeck. 2010
erhielt die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin das Verlagsarchiv
des Tübinger Wissenschaftsverlags Mohr Siebeck. 1801 wurde in Frankfurt am Main
die Buchhandlung Jacob Christian Benjamin Mohr mit Verlag ge-gründet, ab 1804
wurde sie in Heidelberg als akademische Verlagsbuchhandlung weitergeführt. 1878
erwarben die Verleger Kötzle und Siebeck den Mohr Verlag und verlagerten ihn
nach Frei-burg. Viele deutsche Wissenschaftler mit internationaler Wirkung
veröffentlichten ihre Werke bei Mohr Siebeck, unter ihnen der Theologe und
Historiker Adolf von Harnack (1851-1930), der Öko-nom und Soziologe Max Weber
(1864-1920), der Jurist Hans Kelsen (1881-1973) und der Theolo-ge, Philosoph,
Organist und Arzt Albert Schweitzer (1875-1965). Die Schwerpunkte liegen auf den
Gebieten Theologie, Jura, Philosophie, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften.
Das Archiv umfaßt unter anderem die intensive Korrespondenz mit den Autoren (838
Kartons), die Verträge mit den Autoren (24 Kartons) und Rezensionen zu
Publikationen (215 Kartons) sowie Verlagsma-terialien aller Art (104 Kartons).
Die Erschließung des Archivs soll innerhalb von fünf Jahren er-folgen.
Dieter Schmidmaier

Archiv der Forschungsgesellschaft Flucht
und Migration. Die Hochschul- und Landesbiblio-thek Fulda und der
Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule haben eines der
umfassendsten Archive zum Thema „Flucht und Migration“ übernommen. Die
Forschungsgesell-schaft wurde 1994 in Berlin gegründet und befaßt sich mit der
Situation von Flüchtlingen an den Grenzen der Europäischen Union. Das Archiv war
bisher in den Räumen der Berliner Freien Uni-versität untergebracht. Es umfaßt
in erster Linie sogenannte Graue Literatur, das sind Veröffentli-chungen, die
nicht im Buchhandel erscheinen, wie Berichte, Protokolle und Flugblätter. Es
ergänzt das 2008 an der Hochschule Fulda eröffnete und derzeit für die Lehre und
Forschung erschlossene Peter-Kühne-Archiv, eine Schenkung des Dortmunder
Wissenschaftlers Prof. Dr. Peter Kühne, das 2008 übernommen wurde.
Dieter Schmidmaier

Mainzer Stadtdrucker: Philipp Hennevogl. Alle zwei
Jahre verleiht die Stadt Mainz einem der Druckkunst verbundenen Graphiker den
Titel eines Stadtdruckers. Der Preisträger des in diesem Jahr zum 16. Mal
verliehenen Titels ist Philipp Hennevogl, ein Meister des Linolschnitts. Eine
Ausstellung zeigte eine Werkübersicht, vor allem die Arbeiten, welche Basis für
die Mainzer Eh-rung sind. Philipp Hennevogl, 1968 in Würzburg geboren, studierte
von 1988 bis 1994 Malerei an der Kunsthochschule der Universität Kassel. Seit
2006 unterrichtet der freischaffende Künstler auch an Hochschulen, so zunächst
an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und an der Hochschule für
Gestaltung in Offenbach, in den Folgejahren an der Universität Kassel. Seine
Li-nol- und Holzschnitte wurden in mehreren Ausstellungen im In- und Ausland
gezeigt. Verschiede-ne renommierte Kunstsammlungen haben Werke von Hennevogl
angekauft, so das Städel in Frank-furt/Main. Erste Auszeichnungen erhielt
Hennevogl in Monschau (Montjoie Stipendium) und Würzburg (Kulturförderpreis der
Stadt). Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin und Windesheim (Rheinhessen).
In den letzten Jahren stand der Linolschnitt im Vordergrund des graphischen
Schaffens von Hennevogl. Seine Motive entnimmt er der Beobachtung des
Lebensalltags. Er hält seine Eindrücke zunächst mit der Kamera fest, um sie in
einem zweiten Arbeitsgang vergrößert auf Linoleum zu übertragen. Im
künstlerischen Transformationsprozeß lotet Hennevogl die Spannung zwischen Hell
und Dunkel, Licht und Schatten aus und schafft ungewöhnlich großformatige
Arbeiten, die schon mal eine Dimension von 200 mal 120 Zentimeter erreichen.
Auffallend – und für Linolschnitte nicht gerade kennzeichnend – ist die Zartheit
und Feingliedrigkeit der Lineaturen. Die Stege sind vielfach hauchdünn. Der
Schwarzweiß-Kontrast wandelt sich in ein Licht- und Schattenspiel, in dem eine
Grautönung vorherrscht. Auf den ersten Blick könnte man einen Holzstich vermuten
– wenn nicht das große Format wäre. Wenngleich der Linolschnitt gern als
Illustrationsgraphik ein-gesetzt wird, hat sich Hennevogl bisher noch nicht mit
Buchgraphik beschäftigt, stellt das aber in Aussicht. Man darf gespannt sein.
Ferdinand Puhe

Die Sammlung Levy & Müller von Ralf Schulze
geht an die Internationale Jugendbibliothek in München. Mit der Sammlung Levy &
Müller des Ingenieurs und privaten Buchsammlers Ralf Schulze wird der
historische Bestand der Internationalen Jugendbibliothek um eine neue,
außerge-wöhnliche Facette bereichert. Die Sammlung umfaßt zirka 500 Kinder- und
Jugendbücher des Stuttgarter Verlags Levy & Müller aus den Jahren 1894 bis 1952,
ergänzt um zahlreiche Werbemit-tel, Exlibris, Lesezeichen, Postkarten. Sie ist
eine einzigartige Rekonstruktion der Buchproduktion eines jüdischen
Verlagshauses, dessen Ende mit der Diktatur der Nazis besiegelt wurde.
Der Verlag Levy & Müller, gegründet 1871, spezialisierte sich bereits 1895 auf
Kinder- und Jugendliteratur. Unter seinem Signet versammelte er nicht nur
beliebte zeitgenössische Autorinnen wie Frida Schanz, Elisabeth Halden und
Sophie Wörishöffer, sondern auch Klassiker wie Ludwig Bechstein, Daniel Defoe
und Jonathan Swift. Mit gut verkäuflichen Titeln zeitgenössischer
Bestsel-lerautorinnen wie „der deutschen Spyri“ Tony Schumacher oder Josephine
Siebe mit ihren O-berheudorfer Buben- und Mädelgeschichten und Kasperle-Büchern,
sowie einem professionellen, modernen Marketing erzielte der Verlag hohe
Auflagen und wirtschaftliche Erfolge. Unter dem Motto „Der Jugend das Beste!“
proklamierte er, nur „sorgfältig vorbereitete, gediegen und künstle-risch
ausgestattete Werke“ herzustellen, die einer „strengen Auswahl nach
literarischen Grundsät-zen“ sowie der scharfen „Prüfung auf Gehalt und
pädagogische Anforderungen“ unterlagen. Das qualitäts- und traditionsbewußte
Verlagsprogramm bediente und repräsentierte den Geschmack einer breiten
bürgerlichen Leserschaft und gibt damit auch Einblick in die
Rezeptionsgeschichte der Kinder- und Jugendliteratur von der Jahrhundertwende
bis zum Zweiten Weltkrieg. Damit stellt die Sammlung sowohl buch- und
literaturgeschichtlich als auch verlags- und sozialgeschichtlich eine
herausragende Quelle für Wissenschaft und Forschung dar.
setzte, de
|