Redaktionsschluss 4. Juli 2008
Wir gratulieren unseren Mitgliedern
Neue Mitglieder
Der MARGINALIEN-Mitarbeiter Gerhard Strozyk
gestorben
Die Grimm-Bibliothek und weitere
Sondersammlungen der
Zentralbibliothek der Humboldt-Universität
Karl-Heinz Appelmann bei den
Berlin-Brandenburger Pirckheimern
Exkursion nach Friedrichshagen
Walter Leistikows 100. Todestag
Die Schönsten deutschen Bücher
100 Jahre Rowohlt-Verlag
Dem Kunstraub auf der Spur. Das Art Loss
Register Köln
Index. Der Vatikan und die verbotenen Bücher
Kinkel – Kunsthistoriker und Revolutionär
Wir gratulieren unseren Mitgliedern. Zum 50. Geburtstag: Dietmar
Edelmann (Eisfeld) am 2. 10., Michael Then (München) am 30. 10. Zum 60.
Geburtstag: Peter Scheibe (Leipzig) am 6. 12. Zum 65. Geburtstag: Gerhard
Rechlin (Potsdam) am 22. 11., Gretel Bouchette (Berlin) am 10. 12., Prof. Dr.
Peter Arlt (Gotha) am 18. 12. Zum 70. Geburtstag: Peter Eichler (Berlin am 16.
11., Prof. Dr. Dieter Schmidmaier (Berlin) am 29. 11., Prof. Dr. Wolfgang Kirsch
(Röblingen am See) am 31. 12. Zum 75. Geburtstag: Klaus Höpcke (Berlin) am 2.
11. Zum 85. Geburtstag: Lotte Rhein (Wismar) am 29. 11. Zum 88. Geburtstag:
Prof. Dr. med. Wolfram Körner am 20. 11. Zum 94. Geburtstag: Ursula Krüger
(Potsdam) am 26. 11.

Neue Mitglieder: Martin Grasmannsdorf,
Studiendirektor a. D., Aalen.

Der MARGINALIEN-Mitarbeiter Gerhard Strozyk gestorben.
Nach langer schwerer Krankheit starb am 17. Juni 2008 der Bibliothekar und
Slawist Gerhard Strozyk (Jg. 1930). Seit 1955 in der Deutschen Staatsbibliothek
tätig, amtierte er zuletzt als Stellvertetender Direktor der Katalogabteilung.
Viele Jahre bibliographierte Strozyk in den MARGINALIEN die Neuerscheinungen auf
dem Gebiet des Buchwesens und der Bibliophilie.

Die Grimm-Bibliothek und weitere
Sondersammlungen der Zentralbibliothek der Humboldt-Universität stellte die
Leiterin dieser Abteilung, Elke-Barbara Peschke, den Berliner
Pirckheimer-Freunden am 17. April 2008 in der Staatsbibliothek zu Berlin -
Preußischer Kulturbesitz im Haus 1 Unter den Linden vor. Im Vergleich mit
anderen älteren deutschen Universitätsbibliotheken ist die 1831 gegründete und
vor allem der Lehre dienende UB eine junge Einrichtung. Dennoch verfügt sie
heute über beachtliche Sonderbestände. Neben der Bibliothek der Brüder Jacob und
Wilhelm Grimm gehören unter anderem dazu das Archiv des Vereins „Tunnel über der
Spree“, eine Fontane-Sammlung, Nachlässe beziehungsweise Bibliotheken von
Leopold Hirschberg, Magnus Hirschfeld, Theodor Mommsen, Johann Gustav Droysen,
Wilhelm von Humboldt, Ludwig Denecke, Lutz Röhrich sowie eine Porträt- und eine
Autographensammlung, ferner eine Sammlung zur Revolution 1848 mit Plakaten und
Flugschriften. Neben Vorlesungsmitschriften verfügt sie über einen großen
Bestand an Dissertationen, die ihr lange Zeit als Pflichtexemplare zugingen.
Einige der Sammlungen sind bereits im OPAL elektronisch erschlossen.
Als sich Ende des 19. Jahrhunderts die Nachkommen vom Nachlaß Jacob und Wilhelm
Grimms trennten, wurden die handschriftlichen Zeugnisse aus deren Feder der
Königlichen Bibliothek zu Berlin übereignet, während die große Arbeitsbibliothek
der Universitätsbibliothek zufiel. Weit über 100 Jahre wurden diese rund 7000
Bände mit ihren vielfachen Arbeitseintragungen wie andere Bücher „normal“
ausgeliehen und unterlagen keinem besonderen Schutz, so daß einige stark
gelitten hatten. Erst im Zusammenhang mit dem von Ludwig Denecke erarbeiteten
und von Friedhilde Krause herausgegebenen Katalog Die Bibliothek der Brüder
Grimm (Weimar 1989) wurde dieser Entwicklung Einhalt geboten. Heue gilt der
Grundsatz: so wenig eingreifen wie möglich, aber das zur Erhaltung der Substanz
Notwendige tun. Elke-Barbara Peschke erläuterte anhand von 15 gut ausgewählten
Exemplaren – die die Anwesenden mit gebotener Ehrfurcht in die Hand nehmen
durften – charakteristische Besonderheiten der Grimm-Bibliothek. Zum
bevorstehenden 200. Jahrestag der Gründung der Berliner Universität im Jahre
2010 wird die UB einen großzügigen Neubau in unmittelbarer Nähe des
Hauptgebäudes der Humboldt-Universität beziehen können. Aus diesem Anlaß wird
sie künftig eingedenk des Schwerpunktes Grimm-Forschung der Universität –
Herausgabe des Grimm-Briefwechsels und des Jahrbuchs Brüder Grimm Gedenken – den
Namen der beiden großen Wissenschaftler tragen.
Renate Gollmitz

Karl-Heinz Appelmann bei den Berlin-Brandenburger
Pirckheimern. Wie entsteht ein Kinderbuch? Am 22. Mai gab Karl-Heinz
Appelmann anhand seines umfangreichen Illustrationswerkes den anwesenden
Pirckheimern Einblick in die Werkstatt eines Illustrators. Unter dem Motto Jana
und der kleine Stern – Das singende, klingende Bäumchen – und alles dazwischen
ließ er gut 40 Jahre seines Schaffens Revue passieren. In den Räumen der
Staatsbibliothek gab es zudem Gelegenheit, viele der von ihm gestalteten Bücher
und eine große Zahl von Originalzeichnungen näher in Augenschein zu nehmen.
Appelmann, geboren 1939 in Swinemünde, studierte 1959 bis 1964 an der
Kunsthochschule in Weißensee. Seit 1964 als freischaffender Graphiker tätig, hat
er weit über 100 Bücher, vor allem für Kinder, illustriert, und eine Vielzahl
von Umschlägen und Plakaten gestaltet. Er erhielt zahlreiche nationale und
internationale Auszeichnungen, darunter den „Goldenen Apfel“ der Biennale der
Kinderbuchillustration in Bratislava für das im Verlag Junge Welt erschienene
Buch mit afrikanischen Märchen Kjambaki (1970), erzählt von Anne Geelhaar. Mit
ihr zusammen entstanden auch nach 1990 Bücher, unter anderem das Buch zum
Filmmärchen Das singende und klingende Bäumchen (1993).
Appelmann hatte einige der von ihm geschaffenen Bilderrätsel für Kinder
mitgebracht, deren Lösung den Anwesenden gar nicht so leicht fiel. Diese klugen
und witzigen Blätter, in mehreren Büchern erschienen, bilden einen wichtigen
Teil der Veranstaltungen in Vor- und Grundschulen, in denen Appelmann gemeinsam
mit den Kindern Bilderrätsel erfindet, zeichnet und löst. Der Abend war sehr
unterhaltsam und erhielt viel Applaus.
Hans-Udo Wittkowski

Exkursion
nach Friedrichshagen. Die traditionelle
Juni-Exkursion führte die Berlin-Brandenburger Pirckheimer in diesem Jahr in den
Köpenicker Stadtteil Friedrichshagen. Mehr als 50 Interessenten fanden sich am
28. Juni, einem wetterfreundlichen Sonnabend, am S-Bahnhof ein, von wo aus ein
vormittäglicher Spaziergang durch das „literarische“ Friedrichshagen von einst
und heute begann, unter der kundigen und kurzweiligen Führung von Ronald Vierock,
einem der Mitbegründer des Kulturhistorischen Vereins Friedrichshagen e.V. Nach
einer kurzen Stippvisite in der Bobrowski-Stadtteilbibliothek führte der Weg
durch die Lindenallee und die Ahornallee, wo einst Bruno Wille und Wilhelm
Bölsche, die „Hauptgötter des Dichterkreises“, mal hier, mal dort wohnten, die
Brüder Hart und Paul Kampffmeyer lebten, und auch andere Dichterfreunde, wie
August Strindberg, Peter Hille, Knut Hamsun, Detlev von Liliencron, Gerhart
Hauptmann, der Schwede Ola Hansson mit Gattin Laura Marholm (Lindenallee 20),
gastierten oder zeitweise wohnten.
Ein etwas längeres Verweilen ergab sich in der Ahornallee 26, vor jener den
meisten vertrauten Gründerzeitvilla (in traurigem Zustand), die Johannes
Bobrowski 1953 erwarb und bis zu seinem Tod mit Familie bewohnte. Das legendäre
Bobrowski-Zimmer hat sein Herz verloren, kürzlich wurde die Bibliothek an die
Berliner Stadtbibliothek verkauft. Das von der Witwe und den Söhnen noch
bewohnte Haus ist der Öffentlichkeit kaum mehr zugänglich. An den Wohnort des
Dichters erinnert immerhin eine Relieftafel des Berliner Bildhauers Wilfried
Fitzenreiter. Der Weg führte irgendwie folgerichtig zum nahe gelegenen Friedhof
in der Aßmannstraße, wo Johannes Bobrowski ruht, nun endlich in einer gepflegten
Grabstätte, einem Ehrengrab der Stadt Berlin, der Initiative der
Bobrowski-Gesellschaft zu danken.
Ronald Vierock konnte immer wieder mit Histörchen aus jenen Jahren kulturellen
Aufbruchs um 1900 aufwarten. Das ländliche Friedrichshagen mit Kiefernwäldern
und Wiesen am blauen Müggelsee wurde lebendig, die beliebten Ausflüge der sozial
gesinnten Dichterfreunde mit Kind und Kegel ins Grüne wurden in Erinnerung
gerufen. Auch an die Verdienste des tüchtigen Amtmannes Wilhelm Klut (im Amt bis
1909) und an die berühmte Friedrichshagener Kunstgießerei Gladenbeck wurde an
gegebenem Ort erinnert. Vor einem kleinen üppig belaubten Haus, das einst das
Friedrichshagener Gefängnis „Zum preußischen Adler“ war und Bruno Wille wegen
Verweigerung eines Strafgeldes gefangen hielt, verweilte die Gruppe. Vierock
wußte von kuriosesten Umständen dieser Haftzeit köstlich zu berichten, einer
Blamage für die Obrigkeit.
Nach dem Mittagessen traf man sich im Dichterkreis-Museum und Antiquariat der
Pirckheimer-Freundin Katrin Brandel, wo uns Ute Wermer bereits erwartete, um in
die kleine, aber feine Ausstellung Fidus (d.i. Hugo Höppener) und seine
Gedankenwelt einzuführen. Ute Wermer schöpft aus jahrzehntelanger Beschäftigung
mit Fidus; sämtliche Exponate stammten aus dem Besitz der Forscherin und
Sammlerin. Ein geradezu festlicher Abschluß des Ausflugs wurde hier in der
Galerie die Johannes-Bobrowski-Lesung mit dem Schauspieler Ezard Haußmann:
Gedichte und Prosa in feinem Wechsel, eingeleitet durch ein persönliches
„Gedenken“ an den Freund: „Er fehlt mir …“
Katrin Brandel hatte das Antiquariat geöffnet und Friedrichshagen-Literatur
bereit gelegt. Besonderes Interesse fand die Nr. 58 der Friedrichshagener Hefte
von Klaus Kühnel: Der sein Herz nicht auf der Zunge trug. Johannes Bobrowski.
Eine biographische Collage (2007) Der Autor war zur Lesung auch gekommen. – Ein
erlebnisreicher Tag, der in Erinnerung bleiben wird.
Fotos von der Exkursion
U. L.

Walter Leistikows 100. Todestag. Es ist schon
ein Glücksfall, wenn sich Familiengeschichte und Kunstgeschichte ergänzen. Einem
solchen Fall galt im Mai eine Veranstaltung der halleschen Pirckheimer mit Dr.
Agnes Beleites, einem Mitglied des Halleschen Kunstvereins und den Pirckheimern
seit langem verbunden. Ihr Großvater, Carl Beleites, war eng mit Walter
Leistikow befreundet. Bilder und Dokumente dieser Freundschaft gehören zum
Familienbesitz. In ihrem sehr persönlichen Vortrag gelang es ihr, auf
überzeugende Weise den Maler Walter Leistikow in seiner Verbindung zu den
Künstlerzeitgenossen, mit seinem kulturpolitischen Engagement und natürlich
seiner Kunst lebendig werden zu lassen.
Die Familien Leistikow und Beleites waren in ihrer Bromberger Zeit – Walter
Leistikow wurde am 25. Oktober 1865 in Bromberg geboren – Nachbarn und
freundschaftlich miteinander verbunden. Diese Kindheitsverbindung bestand
weiter, nachdem Walter Leistikow nach Berlin und später Carl Beleites nach Halle
gegangen waren. Gemäß Gästebucheintragungen in Halle und Schriftwechsel war
Leistikow recht oft in Halle zu Gast. Agnes Beleites stieß vor einigen Jahren in
dem Haus in Halle, das die Familie Beleites nun seit fast 100 Jahren bewohnt,
auf eine Kiste mit Briefen und anderweitigen Dokumenten ihres Großvaters, die
sich als wahre Schatztruhe erwies. 41 Briefe des Künstlers und eine Vielzahl von
Fotografien belegen die Freundschaft ihre Großvaters mit Leistikow. Es geht in
den zum Teil sehr vertraulichen Briefen um die Kunst und die Familien, aber auch
um die sich zunehmend stärker äußernde venerische Erkrankung Leistikows. Agnes
Beleites hatte ihren Vortrag in drei Teile gegliedert: persönliche Verbindung
der Familie Beleites mit Walter Leistikow, Biographisches und Leistikows
künstlerische Entwicklung. Angereichert mit Zitaten aus den Briefen an Beleites
und unter Einbeziehung der einschlägigen Biographien entstand vor den Zuhörern
das Bild eines sehr erfolgreichen Künstlers der Jahrhundertwende, der noch 1883
von der Berliner Akademie nach einem halben Jahr als „talentlos“ entlassen
worden war! Leistikow war auch literarisch tätig. So erschien 1896 im Verlag
Schuster und Löffler (Berlin) sein stark autobiographisch geprägter, nach Agnes
Beleites wenig erfolgreicher Roman Auf der Schwelle, in dem er sich mit dem von
ihm zu dieser Zeit bereits abgelehnten Naturalismus auseinandersetzt. Ein
Exemplar dieses heute wohl seltenen Buches mit Widmung des Autors befindet sich
natürlich im Besitz der Familie Beleites. Weiterhin schrieb er eine größere Zahl
oft längerer, sich künstlerischen und kunsttheoretischen Themen widmenden
Aufsätze und Zeitungsartikel, unter anderem 1892 eine Polemik gegen die von
Anton von Werner veranlaßte Schließung einer Munch-Ausstellung in Berlin. Die
1892 von Leistikow mitbegründete „Vereinigung der XI“ und die 1898 mit Max
Liebermann gegründete Berliner Secession kamen ebenso zur Sprache wie die
Gründung des Deutschen Künstlerbundes in Verbindung mit Harry Graf Kessler 1903
in Weimar.
Als sich Leistikow mit 42 Jahren nach schwerer Erkrankung erschossen hatte,
erhielt er nahezu ein Staatsbegräbnis, bei dem so angesehene Künstler und
Freunde wie Max Liebermann und Gerhart Hauptmann sprachen. Kaiser Wilhelm soll
allerdings zu seinen Grunewald-Bildern geäußert haben: „Er hat mir meinen ganzen
Grunewald versaut!“ Gerade diese Landschaftsbilder sind heute noch zu Recht
bekannt. Gelegenheit zu einer Auseinandersetzung mit seinem Werk bietet vom 3.
Oktober 2008 bis 11. Januar 2009 eine Gedächtnis-Ausstellung im Berliner
Bröhan-Museum. Neben Bildern, Kunsthandwerk, Briefen, Fotografien und Auszügen
aus seinen Schriften wird erstmals auch die bisher in keiner Biographie
vorkommende enge Verbindung des Malers mit seinem Freund Carl Beleites in Halle
eine Rolle spielen. Dr. Agnes Beleites ist für diesen anregenden und mit
ausgewählten Lichtbildern gut unterstützten Vortrag sehr zu danken.
Hans-Georg Sehrt

Die Schönsten deutschen Bücher erwiesen sich auch
in diesem Jahr als Publikumsmagnet: Für den 1. April 2008 hatten Stiftung
Buchkunst und Leipziger Bibliophilen-Abend gerufen – und es kamen die
Interessenten, Begeisterten, Lernenden und kritisch Bewegten in einer Zahl, die
erneut höher war als im Jahr zuvor, wie Herbert Kästner in seiner Begrüßung zur
Gesprächsrunde erfreut vermerkte. Zuvor hatte Uta Schneider, Geschäftsführerin
der Stiftung, im Ausstellungsfoyer des Leipziger Hauses des Buches die
dazugehörige Ausstellung eröffnet. In Vitrinen war hier zu sehen, was an diesem
Aprilabend drinnen im Saal in die Hand genommen und eingehend begutachtet werden
konnte. Uta Schneider und der Juror Thomas M. Müller berichteten von der
mühseligen, ja schwierigen Arbeit der beiden Jurys, von der Vielzahl der
eingereichten Titel, vom Zeit- und Entscheidungsdruck. Es muß offen bleiben, ob
die ausgezeichneten, mit einer Anerkennung oder einem Förderpreis versehenen
Bücher tatsächlich in der Publikumsgunst stehen. Etliche kritische Beobachtungen
sprechen eher dagegen, doch die rege Anteilnahme, der Austausch untereinander,
die nicht endenwollende Besichtigung der ausgelegten Bücher dafür. Dies ist
überhaupt für den Berichterstatter Fazit seiner Beobachtungen: Es gibt sie noch,
die Lust am Buch, sowohl beim Benutzer als auch bei Gestalter und Hersteller,
auch wenn nicht jedem der vorliegenden Werke uneingeschränkt zugestimmt werden
kann. Ohne wertende Reihenfolge hier einige Bücher, die den Augen gefallen.
Salamon Dembitzer, Die Geistigen (Allgemeine Literatur; Weidle Verlag Bonn):
Papier, Typographie, Fadenheftung, broschierter (!) Einband – sparsam,
intelligent und durchaus geschmackvoll. Es ist schade, daß das Buch Martin
Stollenwerk: SBB Bauten Max Vogt (Wissenschaftliche Bücher, Fachbücher; gta
Verlag Zürich) naturgemäß wohl nur eine kleine Zielgruppe finden wird. Seine
robuste, aber nicht dick auftragende Außengestalt und die Klarheit von Schrift
und Bild im Innern sind hervorhebenswert. Ein Glückwunsch gilt dem Deutschen
Literaturarchiv in Marbach. Sein Katalog 61: Ordnung. Eine unendliche Geschichte
(Sachbücher, Ratgeber) steht für viele hervorragende Publikationen dieses Hauses
in jüngerer Zeit, die, ausgezeichnet oder nicht, sämtlich eine Erwähnung
verdienten. Zum Schluß sei genannt Gerda Breuer: Jupp Ernst. 1905-1987. Designer
Grafiker Pädagoge ... (Kunstbücher, Fotobücher, Ausstellungskataloge; Wasmuth
Verlag Tübingen/Berlin) – ein Band, der, scheinbar konventionell daherkommend,
eine Fülle von gestalterischen Einfällen verwirklicht, die den Umgang mit diesem
Buch zu einem Genuß machen. Der den Wettbewerb begleitende Kata-log, nicht gar
so dickleibig wie der vorjährige, zeichnet sich durch klare und funktionale
Typographie aus, die Gestaltung jedoch, besonders die Bildregie, ist unruhig und
allzu ambitioniert. Der Einsatz von inhalts- und medienfremden Elementen - den
an sich hübschen Klein-teilen aus dem Modelleisenbahnkasten – entbehrt der
gestalterischen Logik.
Eberhard Patzig

100 Jahre Rowohlt-Verlag – ein denkwürdiges Datum
für Bibliophile, Buch- und Verlags-historiker, Leser und Büchernutzer aller Art.
Das Kuratorium des Hauses des Buches Leipzig und der Leipziger
Bibliophilen-Abend hatten aus diesem Anlaß Dr. Uwe Naumann, Programmleiter
Sachbuch bei Rowohlt, eingeladen. Ein überaus zahlreich erschienenes Publikum
erlebte am 15. April 2008 einen großartig informativen, geschichtenreichen,
kritischen wie witzigen Vortrag, angereichert mit Tondokumenten,
Wochenschausequenzen und Filmaufnahmen, wobei die technischen Probleme bei der
Wiedergabe widerspruchsfrei hingenommen und von der souveränen Kompetenz des
Referenten allemal ausgeglichen wurden. Rowohlt – der Name steht strahlend in
unserer Verlags-, Kultur- und Literaturgeschichte. Er steht aber auch für Brüche
in Geschichte und Gesellschaft, für Diskontinuität und Verluste. Obwohl der
Eintritt des Verlages in die Welt des gedruckten Buches alles andere als ein
Paukenschlag war, gewann das Programm des Verlages bereits in seiner frühen Zeit
Kontur. Dafür stehen Bücher von Georg Heym und Franz Kafka. Der übermächtige und
unbändige Verlagsgründer Ernst Rowohlt wollte nicht so recht passen zu seinem
anders temperierten Leipziger Partner Kurt Wolff, der den ersten Rowohlt-Verlag
in eigene Regie übernahm und recht bald unter seinem Namen mit eigenem Profil
fortführte. Aus Rowohlts Neugründung in Berlin nach dem Ersten Weltkrieg wurde
einer der wichtigsten, die literarische Landschaft der Weimarer Re-publik
prägenden Verlage. Legendär ist so mancher Rowohlt-Titel in Inhalt wie Gestalt,
le-gendär ist aber auch der Erfindungsreichtum des Verlegers und seiner
Mitarbeiter bei der Buchwerbung. Anfang der dreißiger Jahre trat der Sohn
Heinrich Maria Ledig-Rowohlt in den Verlag. Seine Verdienste wurden lange vom
Ruhm des Vaters überschattet. Komplex und merkwürdig gestaltet sich die Arbeit
des Verlages im „Dritten Reich“ – gleichsam zwischen Anpassung und Trotz
wechselnd. Nach dem Hitlerkrieg war der Rowohlt Verlag gleich wieder aktiv.
Ledig-Rowohlt hatte so entscheidende Ideen wie die Gründung der Taschenbuchreihe
rororo. So expandierte der Verlag, auch nach dem Tod Ernst Rowohlts 1960 weiter,
bis er 1983 an die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck verkauft wurde. Seitdem
prägen wechselnde Geschäftsführer das Gesicht des Verlages, mußte die Firma
gleichermaßen auf politische Entwicklungen wie auf wirtschaftliche Zwänge
reagieren – nachzulesen ist das ausführlich in der empfehlenswerten,
informativen und gut gestalteten Dokumentation zum Jubiläum: Hermann Gieselbusch,
Dirk Moldenhauer, Uwe Naumann, Michael Töteberg: 100 Jahre Rowohlt. Eine
illustrierte Chronik. Reinbek bei Hamburg 2008.
Eberhard Patzig

Dem Kunstraub auf der Spur. Das Art Loss Register
Köln. Unter diesem Titel hatten der Leipziger Bibliophilen-Abend und das
Museum der bildenden Künste zu Leipzig am 6. Mai 2008 in die Räume des Museums
an der Katharinenstraße eingeladen. Der Beckmann-Saal im Obergeschoß des Hauses
bot einen hervorragenden, gleichsam Kostbarkeiten besetzten Rahmen für den
Vortrag von Dr. Ulli Seegers (Köln), der langjährigen Geschäftsführerin des Art
Loss Registers, über das Thema, in dem Kunst, Kostbarkeiten und Kriminalität
eine eigene Verbindung eingehen. Dem aufmerksamen Zeitgenossen können die
regelmäßig in den Medien kolportierten einschlägigen Berichte gewiß nicht
entgehen, der gestraffte und strukturierte Überblick der Expertin verblüffte
dennoch sehr. So sind bei der heutigen Kunstkriminalität die gewachsene
Gewaltbereitschaft der Akteure, die Ausdifferenzierung ihrer kriminellen
Methoden, die Verbindung in halb- oder scheinlegale Bereiche und die Überlappung
mit an-deren kriminellen Feldern wie dem Drogenhandel nicht zu übersehen. Im
August 2004 wurden zwei Munch-Gemälde aus dem Osloer Munch-Museum mit besonderer
Brutalität entwendet. Wenn die Bilder heute wieder an Ort und Stelle sind, darf
das als Glücksfall bezeichnet werden. Ein spektakulärer Erfolg des Art Loss
Registers war die Wiederauffindung des Gemäldes Zinnkrug mit Früchten von Paul
Cézanne. Sein Besitzer, der Amerikaner Michael Bakwin, ließ das 1978 gestohlene
Bild 20 Jahre nach dem Raub registrieren. Die Kölner Kunstdetektive fanden das
Gemälde wenig später bei einem Schweizer Händler. Sein Verkauf bei Sotheby's
erbrachte 1999 die stattliche Summe von 60 Millionen Dollar, womit einer der
Gründe kunstkrimineller Aktivitäten genannt wäre: Der „Markt“ ist mittlerweile
milliardenschwer. Aber auch pervertierte Sammelleidenschaft, wie im Falle des
Franzosen Stéphane Breitwieser, der Hunderte Kunstwerke aus Museen von Portugal
bis Polen stahl, ist ein weiterer Auslöser. Breitwiesers Mutter vernichtete
Dutzende der gestohlenen Objekte, um den ver-hafteten Sohn zu entlasten. Sie
warf „ ... Dürer in den Müll“, wie Die Welt (8. Januar 2005) titelte. Die
Kunstwerke können sich dagegen ebenso wenig wehren wie gegen die illegale
Ausfuhr aus Kriegs- und anderen Krisengebieten. Das von Versicherungen und dem
Kunsthandel finanzierte Art Loss Register betreibt seine akribische
Detektivarbeit mit respektabler Bilanz: Seit Gründung 1991 konnten Kunstwerke im
Gesamtwert von 160 Millionen Euro rückerstattet werden. Bedenkt man aber, daß
das global tätige Unternehmen auch weit zurück-liegende Vorgänge registriert,
kriegsbedingt verschwundenes Kunstgut recherchiert und Auskünfte zur
Provenienzforschung erteilt, drängt sich der Vergleich mit dem Sisyphos-Mythos
fast zwangsläufig auf.
Eberhard Patzig

Index. Der Vatikan und die verbotenen Bücher. Wenige
Bücher haben derartige Wirkungen hervorgerufen, wie der Index, das Verzeichnis
der von der römisch-katholischen Kirche verbotenen Bücher. Über Jahrhunderte
hinweg in immer neuen, erweiterten und revidierten Auflagen erschienen, gehörte
der Index selbst zu den rätselhaftesten Büchern der Buchgeschichte, denn das
Verfahren, das zur Aufnahme (oder Nicht-Aufnahme) in den Index führte, war eines
der am strengsten gehüteten Geheimnisse des Vatikan. Erst mit der Öffnung der
Archive der Römischen Inquisition und der Indexkongregation im Frühjahr 1998
wurde es möglich, Struktur und Arbeitsweise der Zensurinstanzen des Vatikan zu
erforschen. Hubert Wolf, Kirchenhistoriker in Münster, stellte in seinem Vortrag
vor dem Leipziger Bibliophilen-Abend am 3. Juni 2008 die Ergebnisse seiner
jahrelangen Forschungen vor. Auf höchst unterhaltsame und immer wieder
überraschende Weise skizzierte er die wechselvolle Geschichte des Index vom
Spätmittelalter bis zu seiner faktischen Abschaffung im Jahr 1966, machte die
Verfahrensweisen der mit der Ausübung der Zensur beauftragten Instanzen deutlich
und führte an mehreren Fallbeispielen vor, welch komplexe Interessen miteinander
im Streit lagen, wenn ein Buch oder gar ein Autor mit allen seinen Werken auf
den Index gesetzt werden sollte (Galilei, Knigge, Karl Marx, Johann Michael
Sailer). Daß es sich keineswegs um verstaubte historische Fälle handelt, machten
seine Ausführungen zu der Frage deutlich, warum ausgerechnet Hitlers Mein Kampf
nicht indiziert worden ist, obwohl es bereits ein Prüfverfahren gab. Für alle,
die es genauer wissen wollen, zwei Literaturhinweise: Hubert Wolf: Index. Der
Vatikan und die verbotenen Bücher. München: C. H. Beck 2007; sowie als
Ankündigung: Hubert Wolf: Papst und Teufel. Die Archive des Vatikan und das
Dritte Reich. München: C. H. Beck (erscheint Herbst 2008).
Mark Lehmstedt

Kinkel – Kunsthistoriker und Revolutionär. Gottfried
Kinkel, einem Mann des 19. Jahrhunderts, nach dem Straßen in vielen Städten
benannt sind und der dennoch weitgehend un-bekannt geblieben ist, galt der
Vortrag von Hans-Joachim Prenzel (Frankfurt am Main) beim Mai-Treffen der
Pirckheimer in der Region Rhein-Main-Neckar. Als Sohn eines Pfarrers 1815 in
Oberkassel bei Bonn geboren, studierte Kinkel ebenfalls evangelische Theologie
in Bonn und Berlin. Bereits ab 1837 war er dann an der Bonner theologischen
Fakultät als Dozent für Kirchengeschichte tätig. Seine persönlichen Interessen
galten der Kunstgeschichte.
Im Juni 1840 gründete Kinkel zusammen mit seiner späteren Ehefrau Johanna und
weiteren Freunden den „Maikäferbund“, der für seine Mitglieder, alles
literarisch interessierte jun-ge Menschen, eine handschriftlich erstellte
Zeitschrift herausgab. In diesem Periodikum, das zum Glück erhalten geblieben
ist, veröffentlichten die Freunde Gedichte, Balladen, Lieder, Anekdoten,
Erzählungen, Komödien, Reiseberichte, Übersetzungen und Rezensionen. Nach seiner
Heirat mit der geschiedenen Katholikin im Jahre 1843 war Kinkel an seiner
Fakultät nicht mehr erwünscht. Er ließ sich an die Philosophische Fakultät
umhabilitieren und übernahm ab 1846 eine außerordentliche Professur für Kunst-
und Literaturgeschichte. Die Mitglieder des Maikäferbundes wollten sich absetzen
von den in Konventionen verharrenden „Philistern“, sie hatten sich die Nutzung
größtmöglicher Freiheiten auf die Fahne geschrieben. Man traf sich wöchentlich
und diskutierte über Kunst, Literatur und Theater. Obgleich die beiden Kinkels
bereits politisch engagiert waren, spielten solche Themen im Maikäferbund keine
Rolle. Allerdings hing man der aufkommenden Rheinromantik an, die
antifranzösisch ausgerichtet war. Mitglieder des Maikäferbundes waren unter
anderen Ernst Moritz Arndt, Jacob Burckhardt und Karl Simrock. 1846
veröffentlichte Kinkel seinen romantischen Roman Otto der Schütz, der bis zum
Ersten Weltkrieg eine Auflage von über 100 000 Exemplaren erzielte, zuletzt noch
in einem Reclam-Heft. Es folgten zu ihrer Zeit sehr beachtete weitere Bücher wie
Vom Rhein (1847), König und Dichter (1851) und in großem Abstand dann Das Mosaik
in der Kunstgeschichte (1876) und Tanagra (1883).
1848 wurde Kinkel als Redakteur an die Bonner Zeitung berufen und in die
preußische Nationalversammlung gewählt. Bald war er eine Symbolfigur für die
Republikaner. So nahm Kinkel 1849 am badisch-pfälzischen Aufstand teil. Er wurde
als Rädelsführer von den Preußen verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Nun bildeten sich in vielen Städten Kinkel-Komitees, die Geld zur Unterstützung
seiner Familie sammelten. Im November 1850 konnte Carl Schurz seinen Freund
Kinkel in einer tollkühnen Aktion aus dem Gefängnis in Spandau befreien. Beide
flohen über Paris und London in die USA, wo Schurz sich später im Bürgerkrieg
engagierte und deshalb dort bis heute unvergessen ist. Kinkel kehrte im März
1852 nach London zurück und wurde Professor für Literaturgeschichte am
Hyde-Park-College. Lange hielt es den unruhigen Geist, der nach dem Tode seiner
Frau erneut geheiratet hatte, aber nicht in England. 1866 nahm Kinkel eine
Professur für Kunstgeschichte am Polytechnikum Zürich an, wo er das
Kupferstichkabinett gründete. Am 13. November 1882 starb er in Zürich, ohne daß
er die erwünschte Amnestie des preußischen Staates erlangt hatte.
Der Referent des Abends hatte aus seiner Sammlung zahlreiche Belege in Form von
Erstausgaben, frühen Ausgaben des 19. Jahrhunderts und neueren Faksimileausgaben
zur Zeitschrift Maikäfer mitgebracht.
Ferdinand Puhe
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