Ein stiller
Buchkünstler
Erst jetzt wurde bekannt, daß der 1920 in Hamburg geborene Altenburger Typograf
und Buchkünstler Walter Schiller am 7. August im Alter von 88 Jahren gestorben
ist. Das Buch “Gestalt und Funktion der Typografie” (Fachbuchverlag Leipzig,
1977), das er gemeinsam mit seinem berühmten Kollegen Albert Kapr schrieb und
dessen Entwurf aus seiner Hand stammt, galt in der DDR als Fibel für
Schriftsetzer und Typografen und wurde von Generationen als maßgebliches
Lehrwerk angesehen. Kapr und Schiller waren es gewohnt, mit Bleistift und Schere
zu entwerfen. Schiller blieb bei dieser Arbeitsweise, auch als die Technik
andere Möglichkeiten eröffnete. In dem gemeinsamen Buch haben die Typografen
formuliert, wie sie sich zur Technik stellen: »Ein Teil des gewaltigen Bauwerks,
das Gutenberg einst gründete, ragt in den Bereich des Künstlerischen. Die
Einführung neuer Setztechniken und moderner Druckverfahren wird an dieser
Tatsache nichts ändern. Eher wird sich durch die leistungsstarke Technik die
Verantwortung des Typografen erhöhen, die Verantwortlichkeit für die ästhetische
und zweckmäßige Anwendung der Typografie.« Schiller war Professor an der
Hochschule für Buchkunst und Gestaltung in Leipzig und leitete dort von 1983 bis
1985 das Institut für Buchkunst. Er hat die Leipziger Schule der Typografie in
den 1950er Jahren mitbegründet, die Gestalt des DDR-Buches maßgeblich beeinflußt
und wesentlich dazu beigetragen, es vor ideologischen Einflüssen zu schützen.
Der Buchkunst wurde eine Nische in der klassischen Anmutung eingerichtet: »Wie
wir uns in einer schönen und harmonischen Umgebung wohler fühlen, so werden wir
in einem schön gestalteten Buch lieber lesen. Schönheit verführt – auch zum
Lesen.« Walter Schiller war einer der leisen Handwerker, die um ihre Arbeit
ringen, sich nicht um Ruhm scheren. Er hat in seinem Leben wenig publiziert und
wirkt nun im buchkünstlerischen Denken und Wirken seiner Schüler und in seinen
Arbeiten fort.
22.8.2008, Martin Z. Schröder
siehe auch:
boersenblatt.net |