home
Nachrichten aus der Pirckheimer-Gesellschaft

zurück

Redaktionsschluss 4. Juli 2006 Wir gratulieren unseren Mitgliedern Neue Mitglieder Herbert Kästner 70 Jahre alt Kulinarisches im Kinderbuch Ausflug der Berlin-Brandenburger Pirckheimer nach Magdeburg Reinhard Grüner zu Gast bei Berlin-Brandenburger Pirckheimern HAP Grieshaber zum 25. Todestag Der Buntpapier-Künstlerin Ilona Hesse-Ruckriegel ... Verborgen bewahrt, gerettet und wiedererstanden: Stiftsbibliothek und Stiftsarchiv Zeitz Der Titel »Brief und Bild zugleich« ... Neuerwerbungen der Pirckheimer-Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar Wir gratulieren unseren Mitgliedern. Zum 60. Geburtstag: Sabine Keune (Duisburg-Rheinhausen) am 29. 10. Zum 65. Geburtstag: Dr. Horstfried Masthoff (Haltern) am 6. 10., Bernd Schultz (Berlin) am 31. 10., Jens-Heiner Bauer (Hannover) am 12. 11., Gerd Focke (Berlin) am 29. 11., Johannes Kallabis (Berlin) am 9. 12., Klaus Nowak (Preetz / Holstein) am 9. 12. Zum 70. Geburtstag: Prof. Dr. Peter Schneck (Elstra) am 13. 10., Helga Lorenz (Berlin) am 12. 12., Günter Lott (Ürikon / Schweiz) am 26. 12. Zum 75. Geburtstag: Dr. Ellen Sitte (Berlin) am 22. 11. Zum 86. Geburtstag: Prof. Dr. Wolfram Körner (Berlin) am 20. 11. Zum 92. Geburtstag: Ursula Krüger (Berlin) am 26. 11. Neue Mitglieder: Dieter Bernhöft, Dipl.-Ing., Halle / Saale. Dieter Bührnheim, Geschäftsführer, Halle/Saale. Herbert Kästner 70 Jahre alt. In diesem Heft gilt es nicht nur zweier hundertjähriger Leipziger Büchermenschen zu gedenken, sondern auch eines Siebzigjährigen, der höchst lebendig unter uns weilt. Herbert Kästner den Lesern dieser Zeitschrift vorzustellen, hieße Eulen nach Athen tragen. Er ist ihnen allein schon durch seine Mitgliedschaft im Redaktionskollegium seit 1995 und seine regelmäßigen größeren und kleineren Beiträge wohl vertraut, den meisten Bibliophilen noch mehr durch seine Ämter in der Pirckheimer-Gesellschaft früherer Tage und heute vor allem durch den Vorsitz im Leipziger Bibliophilen-Abend. Wie kaum ein zweiter hat er seit der deutschen Vereinigung die Bibliophilie in den neuen Bundesländern geprägt. Leipzig ist zwar weit davon entfernt, im Verlagswesen wieder die angestammte Rolle in Deutschland einzunehmen, doch in der Bibliophilie hat die Messestadt wieder das einst hohe Niveau erreicht. Daran hat Herbert Kästner einen wesentlichen Anteil. Wenigstens aufgezählt seien die zahlreichen Großtaten: Da sind zunächst die vielen bibliophilen Abende, meist moderiert durch den Vorsitzenden. Da sind weiter die jährlichen buchkünstlerischen Ausstellungen, hin und wieder begleitet von fundierten Katalogen. Und da sind vor allem die Drucke des Leipziger Bibliophilen-Abends. Keine andere Vereinigung von Bücherfreunden kann heute hierin auch nur annähernd mithalten. Man weiß nicht, welche Bücher man herausgreifen soll. Hervorgehoben seien immerhin die Reihen 24 x 34 und Stichwort und die Leipziger Drucke sowie die Jubiläumsbände Zehn Jahre Leipziger Bibliophilen-Abend e.V. (2001) und „… mitten in Leipzig, umgeben von eignen Kunstschätzen und Sammlungen andrer …“ (100 Jahre alter Leipziger Bibliophilen-Abend). Dem hinzugestellt haben Herbert Kästners Mitstreiter (hinter dem Rücken des Vorsitzenden) eine Festschrift zu seinem 65. Geburtstag (Hommage à Herbert Kästner – Mathematiker, Förderer und Verehrer der Buchkunst, 2001). Nur gestreift werden kann hier die buchwissenschaftliche Arbeit Herbert Kästners. Unter seinen Bibliographien haben wohl die bedeutendste Stellung die Verzeichnisse des Werkes von Karl-Georg Hirsch und der Insel-Bücherei. Viele Sammler arbeiten ständig mit ihnen, kaum ein deutscher Antiquar hat sie nicht in seinem Handapparat, ganz nah am Arbeitsplatz. Den schönsten Eindruck hat man von seiner Persönlichkeit und ihrem Einfluß, wenn man ihn einmal über die Leipziger Buchmesse gehen sieht. Ohne einen Anflug der Erschöpfung zu zeigen, geht er im Reich der Handpressen von Koje zu Koje, wird dort mit freudigem Ausruf begrüßt und läßt sich Band für Band die neuen Drucke vorführen. Freilich mag der kommerzielle Aspekt bei den Verlegern im Hinterkopf sitzen, doch die meisten wissen, daß auch der Vorsitzende einer bibliophilen Vereinigung kein unerschöpfliches Portemonnaie hat. Stärker noch suchen sie die Anerkennung des Fachmannes, der nicht nur die Illustrationskunst einzuschätzen weiß, sondern auch die typographische Gestaltung und handwerkliche Ausführung beurteilen kann. Schaut man genau hin, kann man ihn dann und wann beharrlich schweigen sehen. – Am 1. September begeht Herbert Kästner seinen 70. Geburtstag – er wird einen großen Bahnhof befürchten müssen. C. W. Kulinarisches im Kinderbuch. Das Thema hatte Carola Pohlmann mit Freude und Bedacht gewählt. Gleich zu Beginn ihres Vortrages am 6. April im Lessingsaal der Staatsbibliothek verriet sie den zahlreich versammelten Pirckheimern, daß ihr Essen, Trinken und Lesen von Kindheit an besondere Vergnügungen seien, erst recht auch über das Essen und Trinken zu lesen. So hatte sie denn ein vorzüglich abgestimmtes Menü aus fünf Jahrhunderten zusammengestellt und lachenden Auges serviert. Mühelos und vergnüglich erschlossen sich Vielfalt und Zeitkolorit des Themas durch die Jahrhunderte. Als hors d`œuvre erfreute eine Leseprobe aus Erasmus von Rotterdams Galante Höflichkeit für Knaben, einem Druck von 1731. (Die Originalausgabe Von den Gastereyen war 1530 in Basel erschienen.) Zu hören war, wie sich Kinder beim Essen zu verhalten hätten: zurückhaltend, leise und maßvoll. Schon beim zweiten Gang, der Suppe, lief den Anwesenden dann aber das Wasser im Munde zusammen. Zu Gehör kam aus Samuel Bernhardts Anleitung zu einem Adelichen Leben (Straßburg 1645) ein Rezeptverzeichnis für „dreyerlei Suppen und fünferlei Salate“, das nichts ausließ, was dem Gaumen schmeichelt: Fleisch, Wildbret, Geflügel, Fisch, Schildkröten, Austern, Schnecken, Obst, Konfekt, Nüsse, Torten … Das war kaum zu überbieten. Und so folgte als Hauptgericht (und Ausgleich) eine Leseprobe aus Franz Heinrich Ziegenhagens Lehre vom richtigen Verhältnisse des Menschen zu den Schöpfungswerken (Hamburg 1792), einem pietistischen Lebensentwurf, der die Solidarität mit der Natur wie die Gleichstellung von Knaben und Mädchen erstrebte, unter anderem zu einer kindgerechten Ernährung ermahnte und natürlich als praktischer Versuch zu Beginn des 18. Jahrhunderts scheitern mußte. Heute ist das Werk, mit Kupfern von Chodowiecki ausgestattet, nahezu unbekannt. Zu Gehör kamen daneben aus dem aufklärerischen 18. Jahrhundert die moralische Beispielgeschichte Der Tod in unreifem Obst von August Carl Müller aus dem Exempelbuch zum Gesundheitskatechismus des Bernhard Christoph Faust von 1795 und eine wohlmeinende Warnpredigt gegen den kindlichen Branntweingenuß. Ganz neue Impulse erhielt die Kinderliteratur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neben Morgenstern und Ringelnatz hob Carola Pohlmann den 1929 in Stuttgart bei Gundert erschienenen Band von Anni Geiger-Gog hervor: Heini Jermann. Lebenstag eines Jungen, mit farbigen Bildern von Max Ackermann. Zum Dessert gab es eine Leseprobe aus der modernen Kinderliteratur, die schwarzhumorige Episode um eine Riesentorte aus Roald Dahls Matilda (London 1988). Gelesen wurde aus einer Übersetzung der Sibyl Gräfin Schöndorf, bei Rowohlt 1999 als Taschenbuch erschienen. Den Abschluß bildete schließlich eine Eloge von 1782 auf „das Schälchen Kaffee“, den „edlen braunen Göttertrank.“ – Herzlicher und heftiger Beifall verriet alles! In heiter-gelöster Stimmung wurden bereitstehende Naschereien verputzt, einige Fläschchen Rotwein geleert und natürlich der Büchertisch umdrängt, auf dem ausgebreitet lag, was zuvor erwähnt und zu Gehör gebracht worden war, und vieles mehr. Ursula Lang Ausflug der Berlin-Brandenburger Pirckheimer nach Magdeburg. Am 27. Mai trafen sich zirka 30 Pirckheimer zum alljährlichen Ausflug, diesmal in Magdeburg. Um 10 Uhr begann der Tag mit einer Führung durch das Hundertwasserhaus „Grüne Zitadelle“, dem letzten realisierten Bauprojekt des Künstlers. Die freundliche und charmante Führung gab in gut 60 Minuten Einblick in alle Facetten des Baus, von (noch zu mietenden) Wohnungen, Innenhöfen und Gärten bis hin zur gestalteten Tiefgarage. In „Wenzels Prager Bierstuben“ mit guter böhmischer Küche gestärkt, ging es weiter zum Literaturhaus Magdeburg, dem mit Frau Berger an dieser Stelle für das freundliche Entgegenkommen nochmals gedankt werden soll. Dort gaben die Pirckheimer Gerald Gödecke (zu Hermann Hesse) und Dr. Peter Labuhn (zu Exlibris-Folgen von Karl-Georg Hirsch) interessante Einblicke in ihre Sammlungen. Im Anschluß gab es die Möglichkeit, Hirsch-Graphik zu Sonderpreisen zu erwerben. Unweit vom Veranstaltungsort konnte dann noch eine beachtliche Ausstellung mit Druckgraphik, unter anderem von Chagall, Picasso, Dalí, besichtigt werden. Den Abschluß des Tages bildete für Interessierte eine musikalisch-literarische Veranstaltung im wunderbar wiederhergestellten Gesellschaftshaus am Klosterberggarten. Johanna Krumstroh trug Texte von Bella Chagall vor, Angela Yoffe begleitete am Flügel mit Frederic Chopin. Alles in allem ein gelungener Tag, an dem selbst der Wettergott überwiegend milde gestimmt war. Hans-Udo Wittkowski Fotos zum Ausflug Abel Doering Reinhard Grüner zu Gast bei Berlin-Brandenburger Pirckheimern. Aufmerksam und neugierig geworden durch die Ausstellungen seiner Sammlung Künstlerbücher in Fürstenfeldbruck (2004) und Leipzig (2005), nicht zuletzt auch durch die Erinnerungen eines (west)deutschen Sammlers in dem Jubiläumsalmanach Jubelrufe aus Bücherstapeln (2006), hatten die Berlin-Brandenburger Pirckheimer Reinhard Grüner aus München am 15. Juni 2006 unter dem Motto „Sammellust“ zu einem Abend eingeladen. Befürchtungen, das Fußballfieber könnte uns einen Streich spielen, erwiesen sich als unbegründet. Das Interesse war groß, auch zahlreiche Künstlerfreunde des Sammlers hatten sich eingefunden. Reinhard Grüner hatte etliche Künstlerbücher und Buchobjekte mitgebracht, die er in Ausstellungen noch nie gezeigt hatte und überhaupt erstmalig präsentierte, so den kleinen Pressendruck A dissertation upon roast pig von 1975, der vor 30 Jahren in einem englischen Fischerdorf seine Liebe zum Künstlerbuch geweckt hatte. Diese Abhandlung über die Zubereitung von Schweinsbraten und deren kuriose Brandfolgen, wie er schmunzelnd ausführte, hätte es ihm damals angetan: witziger Text, edles handgeschöpftes Papier, der feine Einband, die kleine Auflage von nur 70 Exemplaren ... Inzwischen ist seine Sammlung mit Künstlerbüchern, überwiegend aus Ostdeutschland und Osteuropa (handwerkliche Solidität, Wahrhaftigkeit, Leidenschaft!), auf rund 1000 Exemplare angewachsen, Herzstück seiner 10 000 Bände umfassenden Bibliothek. Mit sichtlichem Vergnügen stellte der Sammler im zweiten Teil des Abends Beispiele der mitgebrachten „Kunstwerke“ vor, Spannung, Erstaunen, Irritation auslösend, jedenfalls ehrliche Reaktionen. Mit seinen Präsentationen vertraute er ganz den wachen Betrachtern, ließ sich wenig auf Interpretation und Erklärung ein, deutete Erwerbssituationen an und gab hier und da hilfreiche Hinweise. So zu dem befremdlichen Buchobjekt Neues Testament von Zbigniew Jez, in dem ein Neues Testament gnadenlos eisern und unauflöslich wie sorgsam mit einem Maurerspachtel verschraubt ist – ein assoziationsreiches Bekenntnis. Oder zu Übungen jenseits der Möglichkeit von Gert Neumann und Mikos Meininger, der anwesend war, einer Publikation der Edition Maldoror (Berlin 1992), in der originale Malereien dem zeitkritischen Text antworten und zu komplexerer Bedeutung verhelfen. Besonders aufmerksam gemacht wurden die Versammelten auch auf die Künstlerbücher der anwesenden Julia Kissina, einer in Kiew geborenen und lange schon in Berlin lebenden Autorin und Künstlerin, auf die Bücher des Petersburgers Michail Karasik, auf den bayrischen Kriminalhauptkommissar und Künstler Gerhard Multerer (In meinen Augen die Liebe), auf die Bücher der „Edition Augenweide“, der „Edition Balance“, auf die Künstlerbücher des 1995 verstorbenen Guillermo Deisler. Eine besondere Strategie des Sammelns verfolgt Reinhard Grüner nicht, ihn fasziniert das stets Überraschende, Intime des Mediums, seine Komplexität, sein subversiver Zeitbezug, seine Unerschöpflichkeit. In seinen Ausführungen folgte der Sammler dem Konzept der Ausstellung in Leipzig. So ergaben sich zwischen Kinderbüchern und Hymnen an die Kunst am Schluß wie nebenbei Vielfalt und Ordnung in seinem „paradiesischen“ Lebenskosmos. Künstlerbücher sind Kunstwerke, „Teil einer schillernden und vielgestaltigen Buchlandschaft, deren Grenzen fließend sind“ (Eva von Seckendorf). Diese Erfahrung konnte der anregende Abend nachdrücklich bestätigen. Ursula Lang Homepage von Reinhard Grüner HAP Grieshaber zum 25. Todestag. Am 23. Mai 2006 widmete die hallische Pirckheimer-Regionalgruppe ihren Veranstaltungsabend dem am 12. Mai vor 25 Jahren verstorbenen Reutlinger Holzschneider und Buchkünstler HAP Grieshaber. Dr. Hans-Georg Sehrt, Vorsitzender der Gruppe, engagierter Graphiksammler und mit dem Werk Grieshabers aufs beste vertraut, umriß zunächst den Lebens- und Schaffensweg des Künstlers, bevor er auf einige Schwerpunkte einging und diese mit Beispielen aus der eigenen Sammlung belegte. Geboren wurde Grieshaber im Jahr 1909 in Rot (Oberschwaben). Nach einer Schriftsetzerlehre, dem Studium für Buchkunst und Kalligraphie in Stuttgart und späteren Ausbildungen in London und Paris entstanden 1932 Grieshabers erste Holzschnitte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Achalm bei Reutlingen sein Lebensraum und seine Schaffensstätte, wobei er in den sechziger Jahren durch seine Berufung als Nachfolger Erich Heckels an die Kunstakademie Karlsruhe gebunden war. Mit Beginn der sechziger Jahre entstanden auch seine großen Illustrationsfolgen und Mappenwerke, an denen er bis zu seinem Tod 1981 arbeiten sollte. Überzeugend erläuterte Hans-Georg Sehrt nun die Wesenszüge der Kunst Grieshabers: sein politisches Engagement, sein konsequentes Bekenntnis zum Handwerk und damit verbunden sein Anliegen, seine Kunst möglichst vielen nahezubringen. Die Themen seiner Werke und ihre verständliche Bildsprache waren diesem künstlerischen Streben ebenso verpflichtet wie seine zahlreichen Begegnungen und Gespräche mit Kunstfreunden oder seine Auseinandersetzungen mit Kunsthändlern, wenn diese aus seinen Graphiken Kapital schlagen wollten und die Preise entsprechend in die Höhe trieben. Der Bücherberg, vermehrt um Graphiken, den Hans-Georg Sehrt an diesem Abend aufgetürmt hatte und – sehr vorsichtig – zeigte, war gewaltig. Nur einige der Beispiele können hier erwähnt werden, so die seit 1964 in loser Folge erschienenen Engel der Geschichte, Blätter, die zu aktuellen Zeitereignissen Stellung bezogen, oder die zahlreichen Graphiken zu Dichterworten und Buchausgaben. Da Grieshaber stets enge und vielfältige Kontakte zu DDR-Verlagen und auch Galerien hatte, zeigte sich die Kenntnis seiner Werke bei den Besuchern des Abends sehr ausgeprägt. Die von Grieshaber mit seinen charakteristischen monumentalen Holzschnitten versehenen Illustrationsfolgen zu Pablo Neruda, Stephan Hermlin, Volker Braun und anderen, vor allem aber sein wohl bekanntestes Werk Totentanz von Basel, 1966 im Verlag der Kunst Dresden originalgraphisch erschienen, waren den meisten vertraute Wiederbegegnungen. Fast immer war der Holzschnitt sein künstlerisches Medium, worauf Hans-Georg Sehrt besonders einging, als er auf Grieshabers didaktischen Aufsatz Drucken ist ein Abenteuer (Stuttgart 1973) verwies. Auch die Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft durften sich 1973 über einen originalgraphischen Holzschnitt Grieshabers als Jahresgabe freuen: Epitaph für Allende, gedruckt in der Werkstatt des Künstlers. Der bereits zu seinen Lebzeiten in zahlreichen Ausstellungen in Ost- und Westdeutschland gefeierte und mit vielen Auszeichnungen bedachte Künstler ist auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod lebendig geblieben – nicht nur bei Hans-Georg Sehrt. Doch hat sein anschaulicher Vortrag bewirkt, daß viele der Besucher nach diesem Abend mit neu entfachter Begeisterung in ihren Grieshaber-Büchern und -mappen zu blättern begannen. Für den Anstoß zu dieser ganz besonderen Würdigung des Künstlers sei dem Vortragenden daher herzlich gedankt. Ute Willer Der Buntpapier-Künstlerin Ilona Hesse-Ruckriegel wollten Leipzigs Bibliophilen am 2. Mai 2006 über die Schulter schauen, und wegen des zu erwartenden größeren Kreises von Interessenten mußte das Haus des Buches zur fiktiven »Werkstatt« werden. In der Dynastie der Hesses ist Ilona Hesse-Ruckriegel Buntpapiererin der dritten Generation, und wer von den Pirckheimern am Leipziger Jahrestreffen 1989 zur IBA teilnahm, erinnert sich gewiß noch des Angebots von wunderbaren Musterpapieren aus der Werkstatt des Vaters Gerhard Hesse, die man zu kleinen Preisen erwerben konnte. Damals waren die Auftragsbücher Hesses gut gefüllt und Auflagen von 1000 Blatt pro Muster keine Seltenheit, da etliche Verlage diese Papiere gern für besondere Titel, Faksimileausgaben und bibliophile Editionen einsetzten. Die heutigen Auftraggeber sind, so berichtete Frau Hesse-Ruckriegel, fast ausnahmslos Restauratoren und Kunsthandwerker, die ganz bestimmte, historische Muster in kleinen Stückzahlen zwischen drei und dreißig Blättern ordern. Das ist zwar eine schöne Herausforderung für den Marmorierer, kann ihn aber kaum ernähren, wenn nicht auch gelegentlich Aufträge kämen wie die Marmortapeten nach historischen Mustern für die komplette Restaurierung der Räume des Lauchstädter Liebhabertheaters oder das Papier für Einbände und Schuber der vielbändigen Sophienausgabe der Werke Goethes. Anhand von Dias mit Aufnahmen von den Originalzuständen erläuterte Ilona Hesse-Ruckriegel die Vielzahl der Versuche, bis hin zur Wahl geeigneter Papiersorten (die zum Teil eigens geschöpft werden mußten), die erforderlich sind, um dem Urbild möglichst nahe zu kommen. Und schließlich, als Höhepunkt des Abends, demonstrierte die Künstlerin mittels Miniwanne, Farben, Pinsel und Kämmen das Handwerk des Buntpapierers und beantwortete geduldig die vielen Fragen der neugierigen Zuschauer. Herbert Kästner Verborgen bewahrt, gerettet und wiedererstanden: Stiftsbibliothek und Stiftsarchiv Zeitz. Der Leipziger Bibliophilen-Abend reiste am 10. Juni 2006 ins nahegelegene anhaltinische Zeitz. Einst von vielfältiger Industrie geprägt, trifft der Reisende heute auf ein stilles, zwischen Beschaulichkeit und Verlorenheit schwankendes Städtchen, dessen erstaunlich reiche und guterhaltene Bausubstanz einen seltsamen Kontrast zur spürbaren demographisch-sozialen Tristesse liefert. Hauptziel des bibliophilen Ausflugs aber war das Torhaus der Zeitzer Moritzburg, seit Mai 2005 nun zugängliches Domizil der über viele Jahre und Jahrzehnte verborgenen Bibliothek und des Archivs des Zeitzer Kollegiatsstifts St. Peter und Paul, heute firmierend unter dem Dach der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatsstiftes Zeitz. Der die Bibliothek mit höchstem Engagement und Herzblut leitende Direktor, Dr. Frank-Joachim Stewing, eröffnete die Führung mit einer profunden, detailreichen Einführung in Geschichte, Bestand und heutigen Umgang mit dieser Sammlung. Einen nachhaltigen Eindruck auf die Besucher hinterließen die teils überraschenden, teils gar sensationellen Mitteilungen zu den hier vorhandenen und perfekt verwahrten Beständen. Geht die historische Stiftsbibliothek auf die im Spätmittelalter entstandene Sammlung der Naumburger Bischöfe, besonders aber auf die 1565 übernommene Privatbibliothek des letzten Bischofs, Julius Pflug, zurück, so gehören zum heutigen Bestand die Domherrenbibliothek des Kollegiatsstiftes St. Peter und Paul sowie seit den 1950er Jahren Reste der einstigen Zeitzer Gymnasialbibliothek. Zu nennen sind vor allem 700 Handschriften und Autographen des Mittelalters und der Neuzeit, 400 Wiegendrucke, 35 000 Drucke des 16. bis 21. Jahrhunderts, davon 14 000 Drucke bis 1900. Das Stiftsarchiv umfaßt 400 Urkunden des 12. bis 18. Jahrhunderts sowie 300 laufende Meter an Verwaltungsschrifttum bis zum 20. Jahrhundert. Zu den besonderen Kostbarkeiten gehört eine überraschend hohe Anzahl Aldinen, vor allem aus der Bibliothek des gelehrten Bischofs Julius Pflug stammend. Den Einbandliebhaber erfreut der Reichtum an schönsten und qualitätvollen Einbände. Von den besonders respektgebietenden Aktivitäten des derzeitigen Bibliotheksdirektors und seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sei hier nur das spannende Arbeitsgebiet der Erfassung und Untersuchung von Handschriftenmakulaturen in und an Einbänden genannt. Im Juni 2005 kam es dabei zur sensationellen Auffindung von Fragmenten aus dem Kontext der sogenannten Zeitzer Ostertafel, einer Handschrift aus spätantiker Zeit, geschrieben vermutlich im Jahre 447 in Rom im Auftrage Papst Leos I., die sich mit der Berechnung des genauen Osterdatums beschäftigt, einem für das damalige kirchliche Leben fundamentalen Thema. Mehr dazu findet der Interessent in zwei informativen Kleinen Schriften der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatsstiftes Zeitz, Band 1 (Schatzhaus der Überlieferung, ISBN 3-86568-055-0) und Band 2 (Die Zeitzer Ostertafel, 3-86568-078-X). Nach dem Besuch dieser alten bischöflichen Sammlung blieb noch Zeit für Erkundungen in der über tausendjährigen Stadt, im Gelände der ehemaligen Landesgartenschau und im touristisch aufbereiteten Gangsystem des „Unterirdischen Zeitz“. Besonderer Dank gilt unserer Freundin vom LBA Gabriele Netsch, Deutsche Bücherei Leipzig, für wichtige und interessante stadtgeschichtliche Unterweisungen bei einem abschließenden Spaziergang durch Zeitz. Die Bibliophilen aus der Buchstadt schieden mit der Erkenntnis, welche erstaunlichen Entdeckungen im unmittelbaren Umfeld noch gemacht werden können, und wünschen der Zeitzer Stiftsbibliothek von Herzen wachsenden Zuspruch und größere öffentliche Aufmerksamkeit. Eberhard Patzig Der Titel »Brief und Bild zugleich« versprach am 13. Juni 2006 eine unterhaltsame Reise durch die Welt der Bilderbriefe. Trotz sommerlicher Hitze und Fußballorgien zog es viele Besucher in das Leipziger Haus des Buches, zumal mit Dr. Rolf-Bernhard Essig (Bamberg) ein kompetenter Referent zu diesem reizvollen Thema gewonnen werden konnte. Essig hat gemeinsam mit seiner Frau Gudrun Schury diesen Gegenstand bearbeitet und in einem prachtvollen Band dargestellt: Bilderbriefe. Illustrierte Grüße aus drei Jahrhunderten. München: Knesebeck Verlag, 2003 (soeben von 49,90 Euro auf 19,90 reduziert). An Hand einer reichen und wohlbestimmten Auswahl von Bildbeispielen auf Folien führte Rolf-Bernhard Essig durch die schönsten und interessantesten Exemplare der mit Zeichnungen, Malerei oder Collagen illustrierten Briefe von deutschsprachigen Autoren und Künstlern. Aber auch einige Originale, so von Peter Rühmkorf, Sarah Kirsch, Michael Mathias Prechtl, Karl-Georg Hirsch, gab es zu bewundern. Immer wieder hat es Schriftsteller, Dichter und Maler gereizt, ihre private Korrespondenz mit faszinierenden, bisweilen skurrilen Skizzen, Zeichnungen und Malereien zu schmücken. Von Essig klug kommentiert und in Leben und Schaffen der Schreiber eingebettet, verrieten die gezeigten Objekte von Goethe, Wilhelm Busch, Adolph Menzel, dem Struwwelpeter-Hoffmann, Bettina von Arnim, Günter Kunert, Horst Janssen und anderen manches Briefgeheimnis. Besonders die Künstler der »Brücke« und des »Blauen Reiter« verschickten Hunderte gemalter Postkarten oder skizzierten Gemälde in ihren Briefen. Selbst maschinen- oder computergeschriebene Briefe, E-Mails und Faxe aus den jüngsten Jahrzehnten haben zum Erstaunen der Hörer noch eine individuelle Note bewahrt. Gern nahmen die Besucher zum Schluß des mit starkem Beifall aufgenommenen Vortrags die Gelegenheit wahr, die Bilderbriefe mit der Signatur des Autors zu erwerben, und der kleine Vorrat ging rasch zur Neige. H. K. Neuerwerbungen der Pirckheimer-Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar. Das Mai-Treffen der Pirckheimer-Freunde in der Region Rhein-Main-Neckar stand als „Sammler-Abend“ ganz im Zeichen der individuellen Vorlieben der Mitglieder, die Neuerwerbungen des letzten Jahres vorstellten. Meisterleistungen auf den Gebieten Buchkunst und Graphik wurden von ihren Besitzern präsentiert und fachkundig erläutert. – Je eine großformatige Aquatinta sowie eine kolorierte Radierung mit gleichen Motiven aus dem Schwetzinger Schloßpark des Hofmalers und Galeriedirektors Carl Kuntz (1770-1830) ließen die Unterschiede der beiden Techniken deutlich werden. Älter, aber als ebenso malerisch erwies sich eine Landschafts-Radierung von Franz Edmund Weirotter, Akademieprofessor in Wien (1733-1771). In ausgezeichnet frischer Erhaltung zeigte sich ein Exemplar des Musenalmanachs von 1797, das die Mitglieder der Runde durchblättern durften. Florale Randillustrationen schmücken eine Ausgabe der Bergpredigt, durch W. Drugulin sorgfältig auf Van-Gelder-Bütten gedruckt und als Ganzfranzband ausgeliefert. Bei Breitkopf und Härtel wurde die deutsche Erstausgabe von Charles-Lous Philippes Die gute Madeleine mit den neun Originalholzschnitten von Frans Masereel (1889-1972) und einem großzügigen Satzspiegel gedruckt. Der bei Kurt Wolff 1923 erschienene Band lag hier als die seltenere Halbleder-Variante vor. Im Gedenken an den im März verstorbenen Dr. h.c. Heinz Sarkowski, aktives Mitglied der Regionalgruppe, wurde die bestens gestaltete und inhaltlich interessante Jahresgabe der Linotype-Gesellschaft für das Jahr 1965 herumgereicht: Wenn Sie ein Herz für mich und mein Geisteskind haben – Dichterbriefe zur Buchgestaltung, herausgegeben von Heinz Sarkowski. Die beiden nächsten Abende gelten den Tief- und Flachdruckgraphiken, ihrer künstlerischen Herstellung und der Drucktechnik. Ferdinand Puhe